Seit 2015 laufen Ermittlungen gegen das Unternehmen Jost sowie Filialen in Rumänien und der Slowakei. Der juristische Vorwurf lautet unter anderem Sozialdumping und Menschenhandel.
Im Rahmen der Ermittlungen hatte ein Untersuchungsrichter die Beschlagnahme mehrerer Lastwagen einer Jost-Filiale angeordnet. Die Staatsanwaltschaft wollte diese Anordnung umsetzen. Das Unternehmen reichte jedoch einen Eilantrag am Gericht Erster Instanz ein und erreichte damit am 27. Januar eine Aussetzung des Verfahrens.
Am Dienstag wurde die Angelegenheit vor den Präsidenten des Gerichts Erster Instanz gebracht. Dort brachten die Anwälte des Unternehmens und die Vertreter der Staatsanwaltschaft ihre Standpunkte vor. Dabei legten die Parteien die Anordnung des Untersuchungsrichters und deren Ausführung durch die Staatsanwaltschaft unterschiedlich aus.
Die Verteidiger des Transportunternehmens übten scharfe Kritik an der Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft. Sie warfen ihr vor, das Unternehmen noch vor Beginn eines Gerichtsprozesses vernichten zu wollen. Im Fall einer Beschlagnahme könne Jost seine Kunden nicht mehr bedienen, was zu einer Kettenreaktion führen und 1500 Arbeitsplätze in Gefahr bringen würde.
Die Vorwürfe des Sozialdumpings und des Menschenhandels seien haltlos und nicht wahr. Das Unternehmen respektiere die gesetzlichen Regelungen und verhalte sich korrekt. Der Anwalt der Jost Group warf der Staatsanwaltschaft zudem vor, das Recht auf Verteidigung zu missachten und keine Akteneinsicht zu gewähren. Dabei stellte er Vergleiche zu einem totalitären Regime an.
Verdeckte Ermittlungen
Die Staatsanwaltschaft bekräftigte, das Unternehmen Jost stehe unter dem Verdacht eines riesigen Sozialbetrugs, der sich nicht mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen rechtfertigen lasse. Bei den Ermittlungen seit 2015 habe man festgestellt, dass die in Rumänien und der Slowakei gemeldeten Fahrzeuge der Firma von Belgien aus fahren und auch hier gewartet würden. Es gebe Hinweise auf eine kriminelle Vereinigung, Geldwäsche und Menschenhandel, die nicht aus der Luft gegriffen seien.
Ein als Fahrer verdeckter Ermittler habe unter anderem berichtet, dass er mehrmals 18 Stunden hintereinander am Steuer gesessen habe - für einen Lohn von 650 Euro im Monat. In vier Wochen habe er nur sechs mal Zugang zu sanitären Einrichtungen gehabt. Nach der Meldung eines Problems mit den Bremsen sei er vom Dispatching zur Weiterfahrt aufgefordert worden.
Eine Sicherheitschulung habe nur auf dem Papier bestanden. In Schlafsälen für Fahrer am Firmensitz in Herstal gebe es nicht ausreichend Betten. Bei einer Hausdurchsuchung im November 2018 habe der Untersuchungsrichter festgestellt, dass sich die Situation dort seit Mai 2017 verschlimmert habe.
Staatsanwalt: 65 Millionen Euro Schaden
Die Staatsanwaltschaft hat im Rahmen der Ermittlungen gegen Jost 945 Opfer von Menschenhandel gezählt. Der finanzielle Betrug im Zusammenhang mit der Beschäftigung rumänischer und slowakischer Fahrer belaufe sich auf fast 65 Millionen Euro: 45 Millionen Euro nicht bezahlter Arbeiterlöhne und 20 Millionen Euro nicht gezahlter Sozialversicherungsbeiträge.
Die Staatsanwaltschaft will dem in ihren Augen riesigen Sozialbetrug durch eine unmittelbare Beschlagnahme von LKW ein Ende machen. Nach ihrer Ansicht ist das Gericht Erster Instanz in der Frage nicht zuständig. Die Rechtsmittel müssten beim Untersuchungsrichter und vor der Anklagekammer eingelegt werden.
Die Anwälte der Jost Group fordern, die Verhandlung vor der Anklagekammer am 11. März abzuwarten. Das Urteil des Gerichts Erster Instanz wird am kommenden Dienstag erwartet.
rkr/mb