Alle Zufahrtsstraßen zu den Betrieben in der Eupener Industriezone blieben am Mittwoch dicht. So mancher LKW musste unverrichteter Dinge wieder kehrtmachen. Die Gewerkschaften sind mit der Streikbeteiligung deshalb mehr als zufrieden. "Es sind viele Leute gekommen. Wir konnten beide Seiten der Industriezone zumachen", sagt Rebecca Peters von der CSC. Und auch Renaud Rahier von der FGTB freut sich darüber, dass die Beteiligung höher war als erwartet. "Es waren viel mehr Leute hier, als ursprünglich kalkuliert."
Ziel war es, das ganze Land lahm zu legen. Doch viele Teile des öffentlichen Lebens funktionierten weiter wie immer. Betroffen waren in Ostbelgien vor allem größere Betriebe wie NMC oder Hydro in Raeren. Bestreikt wurden auch die Proximus-Filialen in Eupen und St. Vith.
Mit dem Streik wollen die Gewerkschaften den Druck auf die Arbeitgeber - aber auch auf die Politik erhöhen. Die Gewerkschaften fordern mehr Kaufkraft. Eine Gehaltssteigerung von 0,8 Prozent zusätzlich zum Index sei keine Antwort auf zunehmende soziale Ungerechtigkeit. "Wenn man von einem Durchschnittslohn ausgeht - wobei die höheren Einkünfte und auch die Kapitalerträge mit eingerechnet werden -, verfälscht das natürlich das Bild. Die niedrigeren Einkommen haben keinen Kaufkraftgewinn gehabt - im Gegenteil. Durch die steigenden Kosten wird es für die Leute immer enger", sagt Rahier.
Die liberale Regierung sei nicht arbeitnehmerfreundlich, findet Rebecca Peters. "Sie unterwandert permanent die Arbeitsgesetzgebung, indem sie Systeme erschafft wie die Flexijobs. Da arbeiten die Leute für wenig Geld und bezahlen keine Steuern und Sozialabgaben. Das mag sich im ersten Moment toll anhören, noch ein Nebenverdienst zu haben. Aber das zählt nicht für die Pension, nicht für das Arbeitslosengeld. Das zählt für nichts", so Peters. "In dem Moment hat man es vielleicht brutto wie netto in der Tasche. Aber am Schluss steht man trotzdem insgesamt schlechter da."
Die Gewerkschaften befürchten sogar, dass die Arbeitgeber zusammen mit der Regierung die Lohnindexierung abschaffen wollen und auch planen, andere Rechte und Freiheiten einzuschränken.
Es geht bei dem Protest der Gewerkschaften neben der Kaufkraft also auch um Zukunftsängste. Gut möglich, dass das nicht der letzte Streik vor den Wahlen war.
Manuel Zimmermann