Dienstagmittag in der Lebensmittelhilfe des Roten Kreuzes in St. Vith: Die Regale sind leer geräumt, nur noch einige Pakete Kaffee und Tee, ein paar Konservendosen und ein bisschen Gehacktes in der Gefriertruhe sind übrig geblieben. Heute war Verteilungstag, und es waren wieder viele Bedürftige hier. Mit einem Berechtigungsschein des ÖSHZ erhalten sie kostenlos Lebensmittel für den täglichen Bedarf.
Die Nachfrage ist ungebrochen. "Im Winter natürlich noch ein bisschen mehr, jetzt wo es so kalt ist. Hierher kommen so um die 400 Personen - und da braucht man schon eine ganze Menge", erklärt Marie-Hélène Düsseldorf, die Präsidentin der Lokalsektion St.Vith-Burg Reuland. Zusammen mit rund 25 Ehrenamtlichen sorgt sie dafür, dass die Bedürftigen jeden Dienstag ihre Lebensmittelhilfe erhalten.
Die Zahl der Begünstigten ist in den letzten Jahren weitgehend konstant geblieben, aber die Kundschaft hat sich geändert. Waren es früher vor allem Familien und ältere Menschen mit kleinen Renten, sind heute mehr und mehr auch Arbeitnehmer und kranke Menschen betroffen.
Vor allem alleinerziehende Mütter, die keinen Vollzeitjob annehmen können, kommen oft nicht rund. Viele Menschen müssen die Hälfte ihres Einkommens für die Miete aufbringen. "Die festen Kosten wie Strom und Heizöl steigen, die Löhne und Renten steigen nicht mit."
Mittelschicht
Die Armut ist längst in der Mittelschicht angekommen, darin sind sich die Lebensmittelbanken und das Rote Kreuz einig. Auch in Ostbelgien ist das zu spüren. "Früher sagte man salopp: Man schaut sich die Gardinen an, dann sieht man, ob jemand arm ist. Die Zeiten sind vorbei", sagt Marie-Hélène Düsseldorf. "Man sieht heute nicht mehr unbedingt, dass jemand arm ist."
Eine Arbeit zu haben ist kein Schutz vor Armut mehr: Schicksalsschläge, eine Trennung oder eine chronische Erkrankung – der Weg in die Armut kann oft sehr schnell gehen. Hier ist auch die Politik gefragt, meint Marie-Hélène Düsseldorf.
"Man spricht immer von den vielen Jobs, die geschaffen werden. Aber man sollte mal schauen, welche Jobs. Einen Job haben heißt nicht immer, in Wohlstand zu kommen. Ein Job heißt für die Menschen hier, das Selbstwertgefühl zu steigern. Auch dafür gehen die Leute arbeiten, um nicht sagen zu müssen: Ich bin arbeitslos. Aber nicht jeder Job ist auch der Leistung entsprechend honoriert."
Die Lebensmittelhilfe des Roten Kreuzes wird mehr denn je benötigt. Das zeigte auch eine Zwangspause, die die Lokalsektion St.Vith-Burg Reuland letztes Jahr im Juni einlegen musste. Ein schweres Unwetter hatte die gesamte Lebensmittelhilfe und weitere Einrichtungen des Hauses zerstört. Dank vielfältiger Solidarität konnte das Rote Kreuz aber die Instandsetzung in Hohe von 80.000 Euro stemmen.
mb/km