Ein eisiger Wind weht, als wir in Krakau das Flugzeug verlassen und in die Busse steigen, die uns nach Auschwitz bringen. Über 100 Schüler aus ganz Belgien sowie zahlreiche Soldaten sind mitgeflogen.
Auch Vanessa, Loris und Lucas und ihr Lehrer vom RSI sind dabei, sie haben sich im Vorfeld auf die Reise beworben. "Ich habe mich dafür beworben, weil ich vorher schon viel darüber gesehen habe, Dokumentationen und Reportagen. Ich fand das interessant, als unsere Lehrerin das vorgeschlagen hat", sagt Vanessa. "Ich interessiere mich generell sehr für das Thema Zweiter Weltkrieg. Aber ich habe mich vorher immer nur mit dem Krieg beschäftigt, jetzt konnte ich mal sehen, wie die Opfer des Krieges eigentlich gelebt haben", sagt Lukas.
Nach einer knappen Stunde Fahrt erreichen wir das Stammlager Auschwitz I. Auf dem Parkplatz vor dem Lager ist reger Betrieb. Reisebusse, Autos, Besuchergruppen - Massentourismus an einem Ort, der eigentlich nicht dazu einlädt.
Für unsere Gruppe geht es als erstes durch die Sicherheitskontrolle, anschließend werden alle mit Kopfhörern ausgestattet, um den Guide besser zu verstehen. In kleinen Gruppen startet dann der Rundgang. Wir halten vor dem großen Tor über dem die Worte "Arbeit macht frei" stehen. Dass hier zahlreiche Menschen hinein gegangen sind, aber nicht wieder heraus, lässt einen doch einen Moment inne halten.
Teresa Wrona begleitet unsere Gruppe durch das Stammlager. Im Schnelldurchlauf erklärt sie, was, wann, wo passiert ist. Nur schwer kann man die Dinge, die sie erzählt reflektieren. Sofort geht es weiter in den nächsten Raum. Sie erklärt, dass in den Räumen, die wir besuchen, Häftlinge tatsächlich gelebt haben. Heute dienen sie als Museum.
Wegen mangelnder Ernährung oder Krankheiten sind sie damals gestorben, aber auch verhört, verhaftet und anschließend getötet wurden viele. Der Holocaust kostete 5,6 Millionen Menschen das Leben. Im Lagerkomplex Auschwitz, d.h. in den drei Konzentrationslagern Auschwitz I, Auschwitz-Birkenau und Monowitz sind zwischen 1,1 und 1,5 Millionen Menschen ums Leben gekommen. Eine Million Juden sind allein in Birkenau gestorben.
Birkenau ist auch unser nächstes Ziel. Der große Lagereingang ist schon von weitem sichtbar. Schienen führen da hindurch. Hier kamen die Häftlinge oft nach tage- und wochenlangen Fahrten in Waggons an. Baracken stehen nur noch wenige. Der Wind und die Kälte sind an diesem Ort noch extremer. Kaum vorstellbar, dass Gefangene hier nur dünne Hemden bei Minusgraden im Winter trugen. Wir besichtigen eine der Baracken. Auf Holzbetten haben die Häftlinge hier auf eine Befreiung gehofft. Ihr Leben endete jedoch in einer der Gaskammern, von denen heute nur noch Trümmer übrig sind.
Jedes Jahr kommen immer noch zahlreiche Besucher nach Auschwitz, doch das Interesse der Menschen hat sich verändert, erklärt Teresa Wrona. "Es kommen immer noch viele interessierte Besucher, aber der Voyeurismus hat zugenommen. Menschen kommen nach hier, nur um sagen zu können, dass sie hier gewesen sind. Die kommen hier hin, ohne zu reflektieren. Zum Glück gehören die aber zur Minderheit. Die Lehrer, die mit ihren Schülern kommen, sind sehr gut informiert, interessiert und oft sehr berührt. Es ist wichtig, dass die jungen Menschen nach hier kommen."
Am Ende des Tages sind alle durchgefroren. Und auch wenn der Besuch kurz und im Schnelldurchlauf abgelaufen ist - er hat etwas mit einem gemacht. Auch Loris und Vanessa waren bewegt von dem Besuch. "Die Räume, wo die Menschen geschlafen haben, und wie sie arbeiten mussten Tag und Nacht - das hat mich schon sehr berührt", sagt Loris.
Noch einige Stunden und vielleicht Tage danach denkt man an die Schicksale der Menschen und die Grausamkeiten, die ihnen dort widerfahren sind. Teresa Wrona ist der Meinung, dass es gerade für junge Menschen wichtig sei, Auschwitz zu besuchen. Damit sie erleben, was Intoleranz und Hass bewirken können.
Lena Orban