Ministerpräsident Oliver Paasch plauderte aus dem Nähkästchen, als er auf den Konzertierungsausschuss zwischen Föderalstaat, Gemeinschaften und Regionen angesprochen wurde. Das Treffen am Mittwochvormittag sei in einer "ganz normalen Atmosphäre" verlaufen - wenn man einmal davon absehe, dass der vorsitzende Premier nur wenige Stunden vorher dem König seinen Rücktritt angeboten hatte. Auf der anderen Seite könnten nun Beschlüsse nicht umgesetzt werden, die auch die Deutschsprachige Gemeinschaft betreffen. "Ich erinnere an den Frequenzfrieden, der mit den Gemeinschaften abgeschlossen worden war, oder dass wichtige Investitionen in den nationalen Investitionspakt aufgenommen worden waren. Das ist sehr bedauerlich."
Neue Zuständigkeiten
Umso wichtiger sei es, dass in der Deutschsprachigen Gemeinschaft stabile Verhältnisse herrschen, sagten die Minister der Koalition aus ProDG, PFF und SP, die ihre Arbeit gerne gemeinsam fortsetzen möchten, wenn es das Ergebnis der Wahlen vom 26. Mai zulässt. Bis dahin ist noch einiges zu erledigen - etwa bei der Übertragung neuer Zuständigkeiten wie der Raumordnung, sagt Ministerin Isabelle Weykmans: "Wir sind sehr gut im Zeitplan. Wir gehen davon aus, dass wir im Frühjahr beiden Parlamenten die Dekrete zur Übertragung und die Zusammenarbeitsabkommen zur Beratung und Verabschiedung vorlegen können."
Neben der Raumordnung wird auch das Wohnungswesen zu übertragen sein. Hier ist Antonios Antoniadis zuständig: "Wir haben mehr Mittel bekommen als das, was bisher eingesetzt wurde. Wir wollen bezahlbaren, guten, gesunden Wohnraum schaffen. Denn es ist schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden - sowohl im Norden als auch im Süden der Deutschsprachigen Gemeinschaft, wenn auch die Bedarfe etwas unterschiedlich gelagert sind."
Pflegeberuf aufwerten
Ab Januar übernimmt die Deutschsprachige Gemeinschaft auch die Auszahlung des Kindergeldes. Und auf gesetzgeberischer Ebene geht es in den nächsten Monaten unter anderem darum, die Gebärdensprache anzuerkennen und den Nutzern von Assistenztieren wie etwa Blindenhunden unter die Arme zu greifen.
Ganz besonders am Herzen liegt dem Sozialminister die Aufwertung der Pflegeberufe: "Wir werden 2019 zuständig für die stationäre Pflege. Wir brauchen diese Menschen und sie sollten besser verdienen. Sie leisten einen unheimlich wichtigen Beitrag. Pflegen muss sich noch mehr lohnen, als es bisher der Fall war."
Sammeldekret Bildung
Eine Aufwertung erfahren auch Beschäftigte im soziokulturellen Sektor und im Unterrichtswesen. Bildungsminister Harald Mollers nennt etwa die Kindergärtnerinnen, die wegen des Lehrermangels in Schulklassen aushelfen: "Bislang wurden sie insofern benachteiligt, als ihre Dienstzeiten in der Primarschule nicht anerkannt wurden für ihr Amt als Kindergärtnerin. In Zukunft sollen sie keinerlei Nachteile mehr haben, wenn sie ihrer Schule aus der Patsche helfen."
In den Sekundarschulen werden die BvA-Stellen abgeschafft oder besser gesagt: durch reguläres Stundenkapital ersetzt. "Das gibt einerseits den Schulen Planungssicherheit und ist eine Aufwertung für die betroffenen Personalmitglieder."
In der mittelständischen Ausbildung wird ein neuer dualer Bachelor-Studiengang eingeführt: "Im Bereich Business and Public Administration. Da geht es vor allem um Verwaltungsfachkräfte."
Und nicht zuletzt soll einkommensschwachen Familien geholfen werden, die etwa förderpädagogische Fachgutachten beibringen müssen: "Beispielsweise zur Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung oder ähnlichen Dingen. Wir haben mit Kaleido die Absprache getroffen, dass wir diesen Familien eine finanzielle Unterstützung zukommen lassen können."
Eigener Klimabeitrag
Eine Brücke von der globalen Erwärmung zum lokalen Handeln schlägt schließlich ein eigener Energie- und Klimaplan, den die Regierung schon mit den ostbelgischen Gemeinden vorbereitet - in Erwartung der "zusätzlichen Instrumente", die der Gemeinschaft auch in diesem Bereich ab 2020 übertragen werden: "Ich hoffe, dass es gelingen wird, diesen integrierten Energie- und Klimaplan im Januar oder Februar vorzustellen. Und dann über die neuen Zuständigkeiten umsetzen zu können", so Oliver Paasch
Stephan Pesch