Colin Kraft
Wenn beide Elternteile berufstätig sind, stellt sich vor allem während den Sommerferien die Frage: Wohin mit den Kleinen? Besonders dann, wenn es keine Großeltern gibt, die bei der Betreuung einspringen können. Das stetig wachsende Angebot an Sommerlagern zeigt für Colin Kraft, dass sich die Bedürfnisse vieler Eltern im Laufe der Zeit verändert haben. "Die Realität der Eltern hat sich in den letzten 20 bis 30 Jahren sehr stark verändert. Beide Elternteile arbeiten und jeder Arbeitnehmer verfügt natürlich nur über eine begrenzt zusammenhängende Urlaubszahl. Die liegt bei drei Wochen. Und wenn die drei Wochen aufgebraucht sind, stellt sich wirklich die Frage: Was mach ich mit meinen Kindern?"
Gespräche mit vielen Betroffenen hätten ergeben, dass die einfachste Lösung eine Verkürzung der Sommerferien sei. "Sommerlager sind schön, aber auch ein Unkostenfaktor. Manche Sommerlager kosten bis zu 200 Euro pro Woche und pro Kind - manchmal sogar noch mehr. Das ist für eine Familie viel Geld", so Kraft.
Schön und gut. Da stellt sich aber automatisch die Frage, ob man das Problem nur einfach auf die Karnevals- und Allerheiligenferien verschiebt. "Dieses Gegenargument kann man auch nachvollziehen. Aber in der Praxis lassen sich einzelne kleine Ferienperioden einfacher gestalten als eine große lange. Ein oder zwei Wochen zu überbrücken, ist einfacher als acht Wochen am Stück", findet Kraft.
Wenn man das Problem auf die begrenzte Urlaubszeit der Eltern reduziert, könnte man natürlich noch einen Schritt weiter gehen. Das würde keine Umverteilung, sondern eine ersatzlose Streichung von Ferienzeit bedeuten. Diese Debatte möchte Colin Kraft nicht führen. Dadurch bekäme das Thema eine ganz neue Dimension.
"Wenn man natürlich die Betreuungstage verringern möchte, dann reden wir auch über eine Erhöhung der Arbeitstage für Lehrer und Schüler. Das ist natürlich eine ganze andere Diskussion, weil wir dann darüber sprechen müssen: Wer mehr arbeitet, muss auch besser entlohnt werden. Das wäre also eine komplette Schulreform", sagt Kraft. "Diese Diskussion möchten wir an dieser Stelle nicht führen. Wir möchten aber über die Probleme reden, wie man die Situation einer langen Betreuungsperiode entspannt."
Bei Familien mit älteren Kindern stellt sich das Betreuungsproblem im Sommer meistens nicht, sagt Colin Kraft. Dennoch würde eine Teilverlegung der Sommerferien Sinn machen. Er nennt ein Beispiel: "Ich bin ja auch Lehrer und weiß, dass die Abiturienten in den letzten Monaten eine Endarbeit abliefern müssen. Die könnten in den Allerheiligenferien mehr Luft bekommen.
Bleibt noch eine Frage. Ist die Umverteilung der Schulferien eine strikte Forderung der CSP, oder nur eine Idee unter vielen? "Das ist unser Vorschlag. Und es ist auch Teil unserer Partei-DNA, dass wir Familien entlasten wollen. Es ist aber nicht so, dass wir das jetzt bedingungslos durchziehen. Wir stehen im Dialog mit den einzelnen Betroffenen. Und wir können diese Diskussion nur führen, wenn wir sie in der Öffentlichkeit führen. Denn, wenn wir das so umsetzten, soll jeder Betroffene auch damit leben können."
Freddy Cremer
Soll man die Sommerschulferien um zwei Wochen kürzen und umverteilen? "Die Debatte ist nicht neu", sagt Pädagoge und ProDG-Parlamentarier Freddy Cremer, der auch den Unterrichtsausschuss im Parlament der DG leitet. Die CSP habe hier auch nichts Neues erfunden. Man setze sich schon lange mit der Frage auseinander. "Der Vorschlag, den die CSP lanciert hat, ist kein neuer Vorschlag. Dieses Thema wird seit mehreren Jahren intensiv diskutiert - nicht nur in der DG, sondern in den drei Gemeinschaften Belgiens."
In der Sache selbst ist Freddy Cremer nicht grundsätzlich gegen den Vorschlag der CSP, das Schuljahr neu zu gestalten. "Das kann eine Lösung sein. Ob es die ideale Lösung ist, muss die empirische Unterrichtsforschung unterlegen. Bei dieser Frage muss einzig und alleine das Wohl der Schüler im Mittelpunkt stehen: Man muss das Schuljahr so takten, dass der Lernprozess der Schüler optimal gefördert wird."
Cremer betont, dass er nicht blind für die Betreuungsprobleme vieler Eltern sei. Und es gibt weitere Interessensgruppen, wie zum Beispiel den Horeca-Sektor. Für Freddy Cremer sind die Wünsche aller Interessensgruppen aber erst mal nachrangig. Die zentrale Frage müsse zwingend lauten: Was ist das Beste für den Schüler?
"Da ist sich die Forschung eigentlich einig: Acht bis zehn Wochen Sommerferien ist eine sehr lange Zeit, bei der vielleicht erworbene Kenntnisse verloren gehen. Dennoch sollte man alle Ergebnisse der Spezialisten abwarten. Es ist grundlegend, dass die empirische Unterrichtsforschung hier Wege aufzeigt, wie man dieses Schuljahr bestmöglich aus der Sicht des Schülers takten kann."
Freddy Cremer wünscht sich mehr Besonnenheit. Konkret soll also eine Entscheidung gleich welcher Art nicht übers Knie gebrochen werden. Zudem hofft er, dass das Unterrichtswesen nicht zum Spielball der Parteien wird. "Ein solch grundlegendes Thema, von dem ja doch Tausende Schüler, Eltern und Lehrer betroffen sind, sollte man nicht zu sehr zum Wahlkampfthema hochpuschen", glaubt Cremer.
Alle Probleme des Unterrichtswesen seien miteinander verzahnt, sagt Cremer. Die Taktung des Schuljahres soll man deshalb nicht isoliert betrachten. Da gebe es einen ganzen Rattenschwanz von Folgeproblemen. "Deshalb braucht es eine Gesamtvision, die ja in den nächsten Monaten und Jahren entstehen soll, um eine solche Frage in einen breiteren bildungspolitischen Gesamtkontext einzubetten."
Manuel Zimmermann