Wir stehen mit Michel Remy am Fliegerdenkmal im Hohen Venn. Auf Sourbrodt-Vergade erinnert es an zwei junge Soldaten, die hier am 4. Juli 1943 starben: der 31-jährige Arthur Morley und der 29-jährige Frank Sadler. Sie gehörten zu einer siebenköpfigen Besatzung der Royal Air Force, erzählt Michel Remy. "Wir wissen, dass das Flugzeug in England zu einem nächtlichen Bombenangriff über Köln gestartet ist. Bei seiner Rückkehr wurde es dann hier auf Vergade abgeschossen."
Die fünf Überlebenden wurden gefangen genommen. Von der Maschine blieb nichts mehr übrig. Der Propeller, der in ein Monument aus Quarzit eingelassen wurde, stammt von einem amerikanischen Bomber. Daneben erinnert ein Gedenkstein an alle Flieger, die hier im Zweiten Weltkrieg ums Leben kamen.
Michel Remy schätzt, dass ca. 50 bis 100 Flugzeuge über dem Hohen Venn abgeschossen wurden. Die Überreste der Maschinen wurden meist eingeschmolzen und wiederverwertet. Was zurückblieb, nutzte die Bevölkerung im Alltag. "Manche Teile dienten den Bauern in der Landwirtschaft. Mit den Resten von Fallschirmen wurden Vorhänge, Bettücher oder sogar Hemden genäht. Elektrokabel wurden für die Beleuchtung benötigt. Alles was brauchbar war, wurde verwendet. Aus dem Plexiglas wurden sogar kleine Andenken, wie zum Beispiel Kreuze gebastelt."
So wurde auch das Flugzeug von der Ortsbevölkerung auseinandergenommen, das am 13. Oktober 1944 in der Nähe von Belle-Croix abgestürzt war. Der amerikanische Pilot konnte sich retten.
Überlebt haben auch die sieben Besatzungsmitglieder eines britischen Bombers, der am 9. Juli 1943 über Mont Rigi von der deutschen FLAK abgeschossen wurde. Sie wurden gefangen genommen. Im Rahmen seiner Recherchen hat Michel Remy Kontakte zu Angehörigen der Überlebenden knüpfen können. "Ich habe Mitglieder der Familie ausfindig machen können. Sie haben mir sogar Fotos und Briefe geschickt, die den Flugzeugabsturz dokumentieren."
Das ist es, was Michel Remy an der Recherche begeistert: Die Menschen hinter den historischen Ereignissen. Seit 20 Jahren ist der ehemalige Berufssoldat aus Seraing ehrenamtlicher Aufseher im Hohen Venn. "Wenn man hier spazieren geht, trifft man auf viele historische Denkmäler, unter anderem Kreuze und dieses Fliegerdenkmal. Ich wollte mehr darüber wissen, vor allem über die Menschen, die in dem Flugzeug saßen, ihren Alltag und ihre persönliche Geschichte."
Michel Remy hat viel recherchiert und eine Reihe von Dokumenten zu den Flugzeugabstürzen über dem Venn zusammengetragen. Viele Originale, darunter auch Fotoaufnahmen aus der Zeit, befinden sich in der Archivothek von Sourbrodt. "Das ist Geschichte auf einer lokalen und sehr persönlichen Ebene. Sie ist wichtig, um zu verstehen, dass es auf allen Seiten Männer und Frauen waren, die den Krieg erlebt haben, und zu wissen, wie es abgelaufen und geendet ist. Es ist auch eine Erinnerungsarbeit für künftige Generationen."
Eine Ausstellung von Michel Remy im Naturparkzentrum Botrange konzentriert sich auf die drei Flugzeugabstürze über dem Hohen Venn. Am 19. August wird er dort im Rahmen eines Vortrags über seine Recherchen berichten. Anschließend ist eine Führung mit dem Planwagen zum Fliegerdenkmal auf Sourbrodt-Vergade geplant.
Michaela Brück