"Schultourismus", dahinter verbirgt sich ein Phänomen, welches hier im Grenzgebiet an vielen Schulen existiert. Schüler gehen dabei nicht auf die nächstgelegene Schule, aus ganz verschiedenen Gründen. Mal arbeiten die Eltern woanders, mal ist die Familie umgezogen oder die Eltern einfach nicht mit den Lehrern zufrieden. Die Gründe sind so vielfältig wie die betroffenen Familien.
Auch in Raeren gibt es diesen Schultourismus. Meist ist das für die betroffenen Schulen kein Problem, aber die Schule in Lichtenbusch ist zu klein. Die Gemeinde plant einen Ausbau, aber nicht sofort. In der Zwischenzeit soll eine Klasse ab dem nächsten Schuljahr in einem Container untergebracht werden.
Doch es geht nicht nur um Baumaßnahmen. Für Erwin Güsting, der als freies Mitglied im Gemeinderat sitzt und im Herbst auf der Mehrheitsliste "Mit Uns" als Bürgermeisterkandidat antritt, kann man das Problem auch angehen, indem man die Schülerzahlen in Raeren besser verwaltet. Zum Beispiel indem man Schüler, die nicht aus Lichtenbusch kommen, nicht mehr so einfach annimmt. "In Lichtenbusch gibt es 134 Kindergarten- und Primarschüler. Im Bereich Kindergarten sind es zehn Kinder, welche außerhalb wohnen. In der Primarschule sind es ebenfalls zehn Schüler. Das sind rund 15 Prozent der Schüler, die diesem lockeren Regelwerk nicht entsprechen", erklärt Güsting.
Abmachung aus den Neunzigern
Das lockere Regelwerk meint eine Abmachung aus den Neunzigern. Weil damals viele Schüler aus Deutschland in Belgien eingeschrieben wurden, beschloss die Gemeinde, dass nur noch Kinder aus dem deutschen Teil von Lichtenbusch dort aufgenommen werden. Nicht aus anderen deutschen Grenzgemeinden wie Walheim oder Roetgen. Die Regelung war auch für die belgischen Schüler so gedacht, dass prioritär Schüler aus dem Dorf Lichtenbusch aufgenommen werden sollen, dann erst aus den anderen Raerener Ortsteilen.
Für den ehemaligen Schulschöffen Güsting wurde diese Regelung in den letzten zwölf Jahren zu nachsichtig gehandhabt. "Die Schulleitung und die Lehrerschaft freuen sich darüber, dass Arbeitsstellen für Lehrer oder Kindergärtner geschaffen werden. Aber ich muss auch im Rahmen meiner infrastrukturellen Möglichkeiten handeln. Der erste Schritt ist gemacht mit dem Container. Der nächste Schritt muss jetzt sein, dass man sich dort den Gegebenheiten anpasst."
Sprich, man steuert die Schülerzahlen. Das ist aber gar nicht so einfach. Viele Kinder, von denen Güsting spricht, wohnen nämlich nicht in Deutschland, sondern in anderen Teilen der Gemeinde Raeren. Sie dürfen laut Gesetz in Lichtenbusch zur Schule gehen.
Nicht nur Zahlen, sondern Kinder
Deshalb fühlt sich die Raerener Schulschöffin Marcella Vanstreels zu unrecht angegriffen. "Ich hab nur das Gesetz befolgt, das von der DG vorgeschrieben ist und mehr nicht - das auch unter Berücksichtigung aller sozialen Aspekte. Wir reden hier über Kinder, das soll man nicht vergessen. Das sind nicht nur Zahlen, deshalb muss auch der soziale, der menschliche Aspekt eine Rolle spielen."
Laut der Aussage von Vanstreels gibt es nur zwei Schüler, die laut Gesetz nicht in Lichtenbusch zur Schule gehen dürften. Ihre Zulassung hat soziale Hintergründe. Wenn Güsting von 20 Kindern spricht, dann schließt er auch Kinder aus anderen DG-Gemeinden oder anderen Raerener Ortsteilen ein.
Und obwohl viele der 20 Kinder völlig rechtmäßig in Lichtenbusch zur Schule gehen, fordert Güsting, dass die Gemeinde die Schülerzahlen steuert. "Wenn man in Lichtenbusch voll ist, ist man nun mal voll. Wir haben eine große Schule in Raeren, eine erweiterte Schule in Eynatten und in Lichtenbusch wird auch etwas gebaut, aber es sollte sicher nicht so sein, dass man da der Investition keine Grenze setzt."
Die Steuerung der Schülerzahlen ist eine Gratwanderung. Güstings Vorschlag wäre ein Richtungswechsel, der nur mit dem nötigen Feingefühl und in Absprache mit allen Beteiligten - darunter auch die DG - gelingen kann, meint Schulschöffin Marcella Vanstreels.
Anne Kelleter