Drei Industriebetriebe gehen in Méry bei ihrer Stromversorgung einen gemeinsamen Weg. Zwei der Firmen produzieren selbst Strom. Der Holzverarbeiter Mérybois setzt auf Fotovoltaik. Der Metallverarbeiter Mérytherm produziert mit Wasserkraft auf der Ourthe Ökostrom.
Je nach Menge und Bedarf teilen die beiden ihren Strom mit der Firma CBV, die Industrieventilatoren herstellt. Gemeinsam bilden sie ein sogenanntes Micro-Netz, das Strom produziert, verbraucht und in einer eigenen Batterie speichern kann. Gleichzeitig bleibt das Micro-Netz aber auf das öffentliche Netz als Puffer angewiesen.
"Wenn man wie hier viel Ökostrom produziert und gleichzeitig eine Menge Strom benötigt, dann sollte so viel lokal produzierter Strom wie möglich auch hier verbraucht werden, erklärt Betrand Cornélusse, vom Forschungsprojekt Smart Microgrids an der ULg: "Das System versucht ständig, einen Tag im Voraus vorherzusehen, wie viel Strom gebraucht wird und entwickelt dazu eine Strategie, den Strom bereit zu halten."
Möglich macht das eine künstliche Intelligenz. Eine Software, die die Uni Lüttich entwickelt hat. Und hier liegt die eigentliche Innovation von Mérygrid. Die künstliche Intelligenz entscheidet über das Strom-Management. Es gilt, immer ausreichend den preiswertesten Strom zu nutzen. Wann ist es zum Beispiel günstiger, die Batterien mit Strom aus dem öffentlichen Netz zu laden? Wie viel Strom kann das System zu welchem Zeitpunkt aus den eigenen Quellen erwarten?
François Van Lishout, forscht im Bereich künstliche Intelligenz an der Uni Lüttich und weiß: "Marktpreise, Wetterdaten und die eigene Bedarfsplanung fließen in das System ein. Die künstliche Intelligenz schafft es damit, die Stromkosten für die drei angeschlossenen Unternehmen um 15 Prozent zu drücken."
Die Macher von Mérygrid sagen, das System ist marktreif. Was fehlt, ist der gesetzliche Rahmen. Denn die Micro-Netze funktionieren nur im Zusammenspiel mit dem öffentlichen Netz. Den Netzbetreibern brechen aber die Einnahmen weg, wenn immer mehr Betriebe ihr eigenes Micro-Netz aufbauen.
Eine echte Konkurrenz also für Netzbetreiber wie Nethys. Und trotzdem hat ausgerechnet Nethys Mérygrid angeschoben, erklärt CEO Stéphane Moreau: "Die Politik muss überlegen, wie man künftig die Kosten für das öffentliche Netz gerecht verteilt. Denn die Netze bleiben für die Versorgungssicherheit unverzichtbar. Das ist sicher machbar. Ich kann mir vorstellen, dass die öffentlichen Stromnetze mehr und mehr über eine Art Beitrag zur Versorgungssicherheit bezahlt werden und nicht mehr nur über den Stromverbrauch."
Bis dahin bleibt es bei einer Ausnahmegenehmigung für Mérygrid. Doch auch in der Politik ist angekommen, dass die Zukunft solchen Micro-Netzen gehört: "Die Politik muss die Gesetze aus der Erfahrung von solchen Pilotprojekten anpassen. Die Gesetzgebung hängt der technischen Entwicklung immer hinterher. Wir sind dabei die Gesetzgebung so anzupassen, damit aus Pilotprojekten Investitionen in die Zukunft werden", sagt der wallonische Minister für Energie Jean-Luc Crucke.
In Esneux bei Lüttich hat die Zukunft also schon begonnen. Denn noch ist Mérygrid einzigartig in der Wallonie.
Olivier Krickel