Nach Einschätzung der internationalen Vereinigung unabhängiger Nuklearexperten INRAG verletzt das Kernkraftwerk Tihange 2 weltweit anerkannte Sicherheits-Maßstäbe. Der Reaktor mit Tausenden Rissen müsse sofort stillgelegt werden, heißt es in einer Erklärung, die das Netzwerk bereits vor ihrer Fachtagung in Aachen einstimmig verabschiedet hat.
Die Herkunft der Risse im Reaktordruckbehälter sei nicht mit ausreichender Sicherheit geklärt, hieß es. Die belgische Atomaufsicht geht davon aus, dass sie bei der Produktion des Bauteils entstanden seien.
Der Reaktorbehälter hätte nie eingebaut werden dürfen, sagte Professor Wolfgang Renneberg. Er war viele Jahre Leiter der Abteilung für Reaktorsicherheit im deutschen Bundesumweltministerium.
Auch Doel 3 bei Antwerpen gehöre stillgelegt. Ein Weiterbetrieb der Reaktoren sei unverantwortlich. Renneberg sagte, es bestehe der begründete Verdacht, dass in Belgien Messdaten vor und nach dem Einbau der Reaktordruckbehälter manipuliert worden seien.
An der zweitägigen öffentlichen Konferenz nehmen auf Einladung der Städteregion Aachen zahlreiche Wissenschaftler aus aller Welt teil, darunter auch belgische Experten und Gregory Jaczko, langjähriger Chef der US-amerikanischen Atomaufsichtsbehörde NRC. Er sagte, solche Risse-Kraftwerke wie in Tihange und Doel wären in den USA niemals in Betrieb genommen worden.
Gastgeber Städteregionsrat Helmut Etschenberg, seit Jahren engagierter Kämpfer für die Stilllegung der belgischen Risikoreaktoren, sieht seine Bemühungen nicht nur durch die Aussagen der Fachleute, sondern auch durch die Stimmung in Belgien gestärkt. "Mit viel Freude habe ich schon wahrgenommen, dass Lüttich oder Verviers ebenfalls angefangen haben, die Sorgen der Menschen aufzugreifen und zu artikulieren, dass es so nicht weitergehen kann."
An diesem Samstag geht die öffentliche Tagung im AGIT-Gebäude an der Dennewartstraße in Aachen weiter.
Rudi Schroeder