"Wir befinden uns im Jahre 50 vor Christus. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt... Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten".
Diese berühmten Zeilen, die bis vor Kurzem jeden Asterix-Band einleiteten, lassen sich in diesen Tagen wohl auch auf Lüttich anwenden. In der "cité ardente" haben einige Leute offensichtlich den Eindruck, von allen Seiten bedroht zu werden. Von den "Wallonen", die den Lüttichern ihre Identität rauben wollen.
Festmachen kann man das derzeit vor allem an einem Wort: Resa. Das ist der Name des Lütticher Energieverteilers, der die Strom- und Gasnetze in der Provinz Lüttich verwaltet. Im Moment wird laut über eine mögliche Fusion zwischen Resa und Ores, dem anderen großen Energieverteiler in der Wallonie, nachgedacht. Der zuständige Energieminister, der MR-Politiker Jean-Luc Crucke, ist jedenfalls dafür. Er selbst drückte es am Donnerstagmorgen in der RTBF so aus: Ores habe die Hand ausgestreckt und seine Rolle als zuständiger Minister sei es, hier eine Art Vermittlerrolle zu spielen, um den Kontakt zu erleichtern.
Resa Tochter von Nethys
"Die Hand ausgestreckt" - Ganz so freiwillig passieren die Dinge hier nicht. Hier muss man ein bisschen weiter ausholen: Resa ist eine Tochter von Nethys, und damit landet man natürlich gleich im Zentrum der Publifin-Affäre, die vor etwas mehr als einem Jahr für ein gewaltiges Erdbeben gesorgt hatte. Epizentrum war Lüttich, dort, wo Publifin-Nethys angesiedelt ist. Als Folge des Skandals um völlig überzogene Sitzungsgelder war das gesamte Konstrukt von einem Untersuchungsausschuss des wallonischen Parlaments durchleuchtet worden. Eine Schlussfolgerung dieser Kommission betraf Resa. Demnach muss der Energieverteiler aus dem Unternehmen Nethys herausgelöst werden. Nethys will diese Forderung umsetzen und sieht drei mögliche Optionen. Eine davon ist eine mögliche Angliederung von Resa an Ores.
"Das ist also nicht meine Idee", sagt Jean-Luc Crucke. Nethys selbst habe die Fusion von Resa mit Ores ins Spiel gebracht. Er selbst könne dem Gedanken aber zugegebenermaßen etwas abgewinnen, sagte Crucke. Es sei bestimmt sinnvoll, zwei Unternehmen zusammenzulegen, die im Wesentlichen dieselbe Arbeit machen. In Flandern seien die Energienetz-Betreiber auch zusammengelegt worden. Damit habe man 100 Millionen Euro einsparen können.
Die Botschaft von Jean-Luc Crucke lautet wohl: Bei diesen Planspielen geht es nicht darum, den Lüttichern vors Schienbein zu treten. Vielmehr drängen sich diese Gedanken quasi auf. Die Lütticher sind dennoch weiterhin auf den Barrikaden: Wenn Resa mit Ores fusioniere, dann würden die Energiepreise in Lüttich steigen, ist da zu hören. "Nun", so erwiderte Energieminister Crucke: Für das eigentliche Gebiet der Stadt Lüttich mag das stimmen. Auf Ebene der Provinz sieht das anders aus. Unterm Strich könne man sagen: Resa ist vielleicht nicht der teuerste, aber auch nicht der billigste Anbieter.
Und diejenigen, die keine Ahnung haben, beziehungsweise nur herumstänkern wollen, die mögen doch bitte schweigen, sagte Crucke. Und auch den Calimero zu geben und sich als Opfer der ganzen Welt zu wähnen, auch das bringe uns nicht weiter. Denn, nochmal: Hier gehe es nicht darum, den Lüttichern ihre heißgeliebte Freiheit zu nehmen, beteuerte der Minister, der sich da wohl auch an seine Parteifreundin Christine Defraigne wendete. Die MR-Politikerin sitzt im Lütticher Stadtrat und hatte schon damit gedroht, im wallonischen Parlament gegen ein Dekret zu stimmen, das die Fusion von Resa und Ores besiegeln würde. Crucke sieht das entspannt: Ihre Liebe zu ihrer Heimatstadt ehre seine Kollegin. Er selbst habe auch ein Faible für Lüttich, sagte Crucke, der eigentlich aus dem Hennegau stammt. Nur, zugegeben, diese Liebe habe Grenzen - im Fußball bleibe er Fan des RSC-Anderlecht...
Roger Pint