Lange war es nur ein Gerücht. Jetzt haben mehrere Anwohner des neuen Gefängnisses in Verviers die Bestätigung: Sie müssen ausziehen, und das innerhalb von einem Jahr. An der Stelle der alten Haftanstalt wird ein neuer, größerer Komplex errichtet, um das Gefängnis von Lantin zu entlasten.
Bei einer Versammlung erfuhren die Anwohner jetzt neue Details zum Bau: "2016 hat die Föderalregierung einen Masterplan für die Gefängnisse im Land vorgestellt. Der Großteil des Plans besteht darin, alte Einrichtungen zu renovieren. Außerdem wird ein neues Gefängnis gebaut. Für den Standort Verviers sieht der Plan den Bau von 240 Zellen bis 2022 vor", erklärt Pauline Vachaudez, Kommunikationsbeauftragte der Gebäuderegie.
Im Zuge des Wiederaufbaus ist es unumgänglich, Anwohner um den Standort zu enteignen. Grund sind neue Sicherheitsvorschriften: "Die Sicherheitsbestimmungen heute sind nicht mehr die vom letzten Jahrhundert. Heute muss es um das Gefängnis eine sogenannte “Non ædificandi”-Zone geben. Das bedeutet, dass in einem Streifen von sechs Metern um die Haftanstalt kein Gebäude stehen darf. Das ist im Moment nicht der Fall, es gibt einige Häuser, die sehr nah am Gefängnis dran stehen und die nicht dort bleiben können", so Pauline Vachaudez. Der zweite Grund ist, dass - ebenfalls aus Sicherheitsgründen - ein zweiter Zugang zum Komplex gebaut werden muss. Jetzt gibt es nur einen und für den zweiten werden weitere Enteignungen nötig.
Für die Anwohner heißt es jetzt ziemlich schnell Abschied nehmen. Als erstes wird das Haus Nummer 52 der Rue des coteaux geräumt. Baubeginn für das Großprojekt ist März 2019. Die Anwohner haben also ein Jahr Zeit, ihr Zuhause zu räumen. Das Problem: Bisher wurden die Immobilien noch nicht eingeschätzt. Das bereitet vielen Familien Sorgen. Dabei hat die Stadt versprochen, alles zu tun, damit die Räumungen reibungslos und termingerecht erfolgen, bestätigt die Vervierser ÖSHZ-Präsidentin Martine Renier: "Wir werden alles in Bewegung setzen, damit das Projekt hier möglich wird und das zur Zufriedenheit aller Beteiligten. Wir werden jede Beschwerde anhören und versuchen, die Menschen bei ihrem Umzug so gut es geht zu unterstützen und zu begleiten. Wir wollen, dass das Gefängnis dort wieder aufgebaut wird, wo es einmal gestanden hat."
Auf die Frage, ob es ein aufwändiges Projekt ist, nicht zuletzt wegen der zahlreichen Enteignungen, antwortet Martine Renier: "Ja, auch wir vom ÖSHZ müssen einen Teil des Geländes von St. Joseph abgeben. Das ist wichtig für die Erreichbarkeit der Haftanstalt. Der Wiederaufbau ist die einzige Möglichkeit, in Verviers ein qualitativ hochwertiges, neues Gefängnis zu bauen. Wir müssen also alles tun, damit das hier klappt."
Insgesamt sind 19 Parzellen von den Enteignungen betroffen. So kann die Fläche des Standortes von 2,36 auf 2,78 Hektar anwachsen.
Seitens der Anwohner gibt es wenig Verständnis für diese Vorgehensweise. Sie vermuten allein wirtschaftliche Gründe hinter dem Plan, das Gefängnis wieder mitten in der Stadt aufzubauen und fordern eine andere Lösung. Von Beruhigung keine Spur, manche sprachen sogar von einem total lächerlichen Projekt und einer unmenschlichen Planungsweise.
Anne Kelleter