Zwei Jahre Gefängnis ohne Bewährung – das ist die Höchststrafe, die die zuständige Richterin in Lüttich ein Mal verhängte. Zwei weitere Angeklagte müssen ohne Bewährung für 18 Monate ins Gefängnis. Mit Bewährung hingegen wurden nochmal zwei hohe Haftstrafen von 24 und 30 Monaten verhängt. Die übrigen Angeklagten kamen mit Arbeitsstunden davon, aber auch da wurde nicht gekleckert: 200 bis 250 Arbeitsstunden pro Angeklagtem.
Deutliche Strafen sind das - für die Verteidigung zu hoch. "Man kann den Wunsch durchaus nachvollziehen, die Sicherheit von Öffentlichkeit und Polizei besonders stark schützen zu wollen. Aber die Strafen sind trotzdem sehr hart", sagt Anwältin Séverine Solfrini, die gleich mehrere Angeklagte verteidigt hatte.
Die Richterin begründete die harten Strafen mit den Taten, die die Angeklagten begangen hatten. "Extrem gravierend" sei es, wenn man Polizisten in der Art angreifen würde, wie es die Angeklagten getan hätten. Die Polizisten waren von den Unruhestiftern mit Gegenständen beworfen worden.
Der Kommissar, der den Einsatz leitete, wurde dabei am Kopf getroffen und verletzt. Sein Anwalt Alexandre Wilmotte unterstützt die harten Strafen. Denn es sei natürlich völlig unzulässig, dass man sich so gegenüber Polizisten verhalte, die vor Ort nur ihrer Arbeit nachkämen. Und die in diesem Fall eben nur versucht hätten, wieder Ruhe herzustellen.
Wilmotte erklärt auch noch eine Besonderheit des Prozesses. Die Verteidigung hatte nämlich argumentiert, dass eine Verurteilung der Angeklagten nicht erfolgen könne. Denn man habe nicht feststellen können, wer von den Angeklagten genau welche Gegenstände geworfen habe. Vor allem habe man nicht den Angeklagten identifizieren konnte, dessen Wurfgeschoss den Polizeikommissar am Kopf verletzt hatte.
"Diese Argumentation greift natürlich zu kurz", sagt dazu Wilmotte. "Glücklicherweise hat das Gericht eine andere Argumentation bevorzugt. Sie lautet: Allein die Tatsache, dass die Krawallmacher quasi die Herrschaft im Carré an sich gerissen hatten, hatte ihnen ein Gefühl der Überlegenheit gegenüber den Polizisten gegeben. Sie haben sich stärker gefühlt, und müssen deshalb alle verantwortlich - auch für die schlimmsten Übergriffe - gemacht werden, besonders für die Verletzungen, die mein Klient am Kopf erlitten hat.
Genau hier sieht Verteidigerin Solfrini aber auch den Ansatz, das Urteil der Richterin anzufechten. "Über einige Teile der Urteilsbegründung kann man durchaus streiten. Vor allem über die Teilnahme an der Schlägerei und der Verursachung von Verletzungen. Das könnte vielleicht ein Ansatz für eine Berufung sein. Aber darüber werden letztlich meine Klienten entscheiden."
Die Verurteilten sind alle zwischen 18 und 25 Jahre alt, bis auf einen 47-jährigen Mann. Sie waren anhand von Videoaufzeichnungen und Zeugenaussagen identifiziert worden. Auch neun andere Personen sind auch diese Weise schon identifiziert worden. Die Polizei setzt die Suche nach weiteren Krawallmachern fort.
Von den jetzt Verurteilten würden die meisten bedauern, was damals im Carré passiert ist, sagt Verteidigerin Sandra Berbuto in der RTBF. "Das war das Ende eines Abends, an dem die meisten viel getrunken hatten. Einige hatten noch nie mit der Justiz zu tun. Sie haben sich in einer Situation wiedergefunden, die sie komplett überfordert hat. Das war ein Gruppeneffekt, der sich leider ins Negative entwickelt hat."
Kay Wagner