Die Kirche der evangelischen Pfarre Malmedy-St. Vith steht etwas abseits der Straße. Ein verschwiegener Platz, dabei ist die Gemeinde im Norden der Region schon seit der Reformation verankert. "Die Protestanten aus Eupen und Aachen sind in den ersten Zeiten bis nach Vaals gewandert. Da war die protestantische Kirche. Sie müssen sich vorstellen, wie viele Kilometer das sind - am Sonntag hin und zurück. Sowohl in Aachen als auch in Eupen gab es noch gar keine Gottesdienste und keine Kirche", erklärt Christine Treichel.
Geschätzt 1.500 Protestanten leben heute noch im Norden der DG, im Süden sind es wesentlich weniger: Rund 100 aktive Mitglieder sind Teil der Gemeinde, schätzt Christine Treichel. Sie ist Pfarrerin für die protestantische Gemeinde Malmedy-St. Vith und als Vakanzvertretung im Moment auch für die Kirchengemeinde Eupen-Neu Moresnet.
Gemeinsam mit ihrer Familie lebt sie im Pfarrhaus vor der Kirche. Ein Gang über den Hof und schon ist die Pfarrerin zuhause. Dort lebt sie mit ihrem Mann und ihrer Patentochter Ziba. Christine Treichels Mann war ebenfalls Pfarrer, ihre vier Söhne sind schon ausgezogen. "Wir mussten 1988 die DDR aus politischen Gründen verlassen und waren dann zuerst in Bochum. Dort habe ich in meinem ersten Beruf als Hebamme gearbeitet. Hier in Malmedy wurde dann ein deutschsprachiger Pfarrer gesucht. Ich habe zunächst 20 Jahre als Religionslehrerin gearbeitet und auch Familiengottesdienste gemacht. Seit sechs Jahren habe ich jetzt hier das Pfarramt alleine."
Berufung
Als Pfarrerin ist Christine Treichel für katholische Christen eine Exotin. In der evangelischen Konfession sind alle Gläubigen und damit auch Frauen und Männer gleichgestellt. Auch das Zölibat für Priester gilt nicht. Deshalb ist das Pfarrhaus in Malmedy Heim für Familie und Gemeinde gleichzeitig. "Wenn man hier im Pfarrhaus lebt - das machen übrigens nicht mehr so viel Pfarrer, direkt bei der Kirche - ist man eigentlich immer im Dienst. Das ist vielleicht das Schwierige an dem Beruf, aber man muss versuchen, das in den Griff zu kriegen. Je älter ich werde, desto besser kann ich das", sagt Christine Treichel.
"Ich denke schon, dass das Pfarrer-Sein eine Berufung sein muss. Man macht es nicht des Geldes wegen. Und es macht mir viel Freude, weil ich von den Menschen viele positive Reaktionen zurück bekommen." Die familiäre Stimmung im Pfarrhaus lebt auch in der Gemeinde. Bei der Sonntagsmesse zum Reformationstag in Neu-Moresnet begrüßt Christine Teichel jedes Gemeindemitglied persönlich.
Kirche als Treffpunkt
Die Kirche ist ein Treffpunkt und die Gemeinschaft hält zusammen, weil sie so klein ist, aber auch, weil die evangelische Konfession ihre Unabhängigkeit auch heute noch manchmal behaupten muss. "Mir gegenüber habe ich solche Vorurteile nicht gespürt, aber ich höre das schon von anderen Leuten. Ältere Damen in der Gemeinde haben mir erzählt, dass es nach dem Krieg fast noch ein Skandal war, einen Protestanten oder eine Protestantin zu heiraten. Die Zeiten sind zum Glück vorbei."
Zum Reformationstag feiern die evangelischen Christen Luthers Lehre von der Rechtfertigung des Sünders allein durch den Glauben, die der Auslöser für die Abspaltung von der katholischen Kirche war. Heute vor 500 Jahren soll Luther seine 95 Thesen gegen die Ablassbriefe an die Tore der Wittenberger Schlosskirche genagelt haben. Ein prägender Moment für die Kirchengeschichte, aber auch für die Gesellschaft, wie wir sie heute kennen.
ake/mg