Im GrenzEcho hat man die Weichen neu gestellt. Aus dem Verleger Alfred Küchenberg ist der Ehrenverleger geworden. Als er 1985 zusammen mit dem St. Vither Geschäftsmann Ernst Thommessen das GrenzEcho übernahm und sanierte, sprach man von der ostbelgischen Lösung.
Von einer "Brüsseler Lösung" könne heute aber nicht die Rede sein, so Küchenberg. "Die Bindung am Kapital ist nicht das, was unbedingt eine regionale Lösung absichert. Die regionale Lösung ist vor allem im redaktionellen Bereich und bei den Inhalten wichtig. Die Rossel-Gruppe wird das weiter verfolgen und hat sich auch dazu verpflichtet, die redaktionelle Linie beizubehalten und die regionale Verankerung abzusichern."
Alfred Küchenberg hinterlasse ein gesundes und modernes Unternehmen, sagt GrenzEcho-Geschäftsführer Olivier Verdin. Das Engagement der Mediengruppe Rossel sieht er auch positiv. "Ich glaube, es war jetzt an der Zeit, einen großen Partner zu finden, der auch Investitionen hier im Hause machen wird. Bei den Möglichkeiten, die Rossel hat, können wir nur profitieren. Wir können das selber - vor allem im digitalen Bereich - nicht stemmen und mit Rossel haben wir einen Partner, der uns diese Möglichkeiten gibt und das Haus mit Sicherheit einen Schritt nach vorne bringen wird."
Keine redaktionelle Einmischung
Zumindest ist Rossel ein Schwergewicht in der belgischen Medienlandschaft. Alles fing vor 130 Jahren mit der Gründung der Brüsseler Zeitung Le Soir durch Pierre-Émille Rossel an. Heute ist die Gruppe in Belgien nicht nur Marktführer auf dem frankophonen Zeitungsmarkt, sondern auch Teilhaber oder Eigentümer von Internetplattformen, ausländischen Tageszeitungen, Werbeblättern, Magazinen, Radio- und Fernsehsendern wie RTL Belgien. Nicht zu vergessen: Die belgischen Wirtschaftszeitungen L'Echo und De Tijd.
Und was bedeutet dies für das Tagesgeschäft in Eupen? "Wichtig sind die Inhalte - und die Redaktion hat eine Linie, die sie befolgen muss. Es ist nicht Rossels Politik, sich in redaktionelle Sachen einzumischen. Was sie natürlich beobachten werden - mit Recht -, ist, ob die Redaktion die großen Herausforderungen meistert: Wie geht man mit dem Digitalen, dem Print und dem Radio um? Was sie interessiert, ist die nötigen Reichweiten zu erreichen und ein geschäftliches Modell zu haben", erklärt Küchenberg.
"Rossel möchte einen Chefredakteur"
Wer mit einer Zeitung kein Geld verdienen möchte, der möchte wohl Politik machen, heißt ein Branchenbonmot. Das soll also nicht der Fall sein. Dennoch ist die Redaktion neugierig, wie es jetzt genau weiter geht, sagt GrenzEcho-Redakteur Patrick Bildstein. "Wir sind gespannt, wie der Routenplan aussehen soll, den der Herr Marchant, der Geschäftsführer der Rossel-Gruppe, gestern angekündigt hat. Details sind nicht genannt worden. Ich glaube aber, wenn man den Inhalt dieses Routenplans kennt, weiß man auch, wo es hingeht und bis dahin arbeiten wir weiter wie bisher."
Zur Zeit einzigartig in Belgien ist wohl die Organisationsstruktur der Redaktion. Denn die funktioniert schon länger ohne Chefredakteur. Das soll sich schon bald wieder ändern, sagt Geschäftsführer Verdin. "Rossel möchte einen Chefredakteur - und wir auch. Wir haben bisher noch keine Einigung mit der Redaktion gefunden, aber die Gespräche laufen und ich hoffe, dass wir in den nächsten Wochen einen neuen Chefredakteur präsentieren können."
Mehr über die Zukunft, aber vor allem auch die Vergangenheit des GrenzEchos erfahren die Abonnenten am Donnerstagmorgen aus der Sonderausgabe zum 90. Geburtstag der Zeitung.
mz/mg