Sie ist die einzige Generalin Belgiens und alles andere als das Klischee der strengen, unnahbaren Befehlshaberin. Seit dem 26. März bekleidet die 56-jährige Lutgard Claes offiziell dieses hohe Amt. Gleich zu Beginn drängt sich die Frage auf, was eine Frau eigentlich dazu bewegt, in die Armee einzutreten, in eine Welt, die hauptsächlich von Männern geprägt ist.
"Mit 13 träumte ich davon, an F16-Flugzeugen zu arbeiten"
Technik und Luftfahrt haben sie immer fasziniert, sagt sie. "Mit 13 träumte ich davon, an F16-Flugzeugen zu arbeiten." Mit 17 besuchte Claes die Königliche Militärschule und wurde schließlich Zivilingenieurin in Flugzeugbau und Rüstung. Ab 1985 verbrachte sie ihre Karriere auf Luftwaffenstützpunkten, übte die unterschiedlichsten Funktionen aus und landete im Management beim Führungsstab. Ein Flugzeug hat sie nie geflogen. "Kein Interesse", sagt sie. Höchstens ist sie im Rahmen von technischen Tests mitgeflogen.
Ihre Leidenschaft gilt der Technik: "So viele Funktionen und Ausstattungen kommen in einem Flugzeug auf so engem Raum zusammen", sagt Lutgard Claes. Das, was ihr damals am meisten gefiel war alles, was mit Strom zusammenhing, all diese Kilometer von dünnen Kabeln, die die Signale, Bits und Bites in die Black Boxes leiten und die dafür sorgen, dass der Pilot mit seinen Händen alles steuern kann. "Ein wahres Wunder."
Anfangs, als sie zur Generalin ernannt wurde, kam es Lutgard Claes schon etwas seltsam vor. Aber inzwischen hat sie sich schon etwas daran gewöhnt. Ihre Aufgabe, sagt sie, ist vielleicht etwas schwerer und breiter gefächtert. Aber mit ihren Kollegen bildet sie eine gute Mannschaft, mit der sie gemeinsam die Verteidigung weiterentwickeln will.
Am Nationalfeiertag hatte sie ihren ersten großen Auftritt als Generalin: "Man hat immer Tendenz dazu, die Generäle als die Götter und die großen Verwalter der Verteidigung anzusehen, und es ist ein bisschen seltsam mitten drin zu sein. Ich muss daran arbeiten, um den Erwartungen der Verteidigung und meiner Kollegen gerecht zu werden."
Mit männlichen Militärangehörigen hat sie nie Probleme gehabt
Jeden Tag lernt sie neu hinzu, eignet sich neue Kompetenzen an, kümmert sich um die Ausbildung, die Ausrichtung der Armee. Doch wie reagieren männliche Militärangehörige, wenn sie plötzlich eine Generalin vor sich stehen haben? Damit, sagt sie, hat sie in ihrer Karriere nie Probleme gehabt. "Die Regeln sind einfach: Jeder möchte einen Chef haben, den er respektiert und der die Regeln kennt, der loyal, korrekt und in seinen Entscheidungen gerecht ist, und ganz besonders ehrlich und integer ist. Und ab dem Moment ist Respekt selbstverständlich", sagt Lutgard Claes.
"Jeder bringt seine Persönlichkeit mit, aber Frauen reden mehr und sind vielleicht offener, hören zu, schauen und sind bereit, auch Unausgesprochenes zu begreifen", erklärt sie. Zuhören und den Experten und Mitarbeitern vertrauen, die tagtäglich an Flugzeugen arbeiten - das sei besonders wichtig. Es nütze gar nichts, den großen Chef zu spielen, man müsse Hand in Hand arbeiten.
Besonders wichtig ist der Generalin die Zukunft der Armee. Sie brauche Nachwuchs, neue Chefs, neue Offiziere. Das gehöre jetzt zu ihren Herausforderungen. Jeder könne für sich - ob Mann oder Frau - Herausforderungen meistern, wenn er bereit sei, sein ganzes Herzblut dafür einzusetzen.
cd/est - Fotos: Chantal Delhez/BRF und Alexandre Classen/IRMEP