Schon seit Urzeiten beflügelt der Wolf die Phantasie des Menschen. Im alten Ägypten war er der Wächter des Totenreichs, verehrungswürdig, aber auch ein Symbol für das Böse oder Unerklärliche. Mit zunehmender Bedeutung der Viehzucht und der Haustiere verlor er diese Ambivalenz.
Der böse Wolf ist eine Figur, die Kindern und Erwachsenen schon seit Jahrtausenden Angst einflößen soll. Vom Fenriswolf in der germanischen Mythologie, über das wolfartige Fabelwesen Isegrim, bis hin zum "bösen Wolf" der Märchen des 19. Jahrhunderts. Und auch zu Beginn der Moderne war der Wolf noch eindeutig auf der Seite des Teufels, so wie in Serge Prokofjews musikalischen Märchen "Peter und der Wolf".
Vor hundert Jahren ausgerottet
Und so wie Wolf als Fabelfigur Isegrim schon in mittelalterlichen Fabeln vom trickreichen Reineke Fuchs überlistet und dem Untergang geweiht wurde, so geschah es auch mit dem echten Wolf vor rund 100 Jahren in Mittel- und Westeuropa. Der Wolf riss kleinere Schafe und Ziegen. Michael Pankert vom wallonischen "Netzwerk Wolf" erklärt: "Kleinere Familien, die von den Schafen und Ziegen lebten, die hatten durch einen einzigen Riss einen immensen Schaden, was zur Existenz-Bedrohung führen konnte. Dementsprechend wurde der Wolf mehr und mehr bejagt, bis er in West- und Mitteleuropa komplett ausgerottet wurde."
Doch auch wenn der Wolf lange Zeit eine Bedrohung für den Menschen war: Eigentlich hat man ihm mit all den bösen Legenden unrecht getan, denn für unserer Ökosystem wäre die Rückkehr des Wolfes eher gut als böse: "Im Prinzip würde das Ökosystem dadurch reicher", sagt Michael Pankert, "der Wolf wird in der Regel kranke, junge oder verletzte Tiere jagen. Dadurch würde der Wildbestand gesünder und der Druck auf die Natur würde dadurch geringer, so dass sich der Wald und anderes wieder mehr regenerieren kann und dementsprechend auch die Biodiversität wieder vergrößert wird."
Offiziell gibt es den Wolf in der Region nicht
Ob der Wolf tatsächlich in unsere Region zurückkehrt, kann zurzeit niemand genau sagen. Experten sind sich uneinig, was genau dazu führt, dass ein Wolf sich ansiedelt. Theoretisch gibt es laut Schätzungen des "Netzwerks Wolf" Platz für rund 15 Rudel in ganz Belgien. Die Gruppen von zwei bis sechs Wölfen bräuchten je rund 250 bis 300 Quadratkilometer große Reviere mit geeigneten Lebensräumen. Doch sie könnten genau so gut nur durch unsere Wälder durchziehen, anstatt hier heimisch zu werden.
"Offiziell gibt es ihn hier nicht", sagt Michael Pankert, "weil es keine Indizien gibt, die klar feststellen, dass er vorhanden ist." Von den 53 vermuteten Sichtungen haben sich 40 Prozent als Falschmeldungen herausgestellt. Bei weiteren 40 Prozent kann nicht ausgeschlossen werden, dass es ein Wolf war, es kann aber auch nicht definitiv festgestellt werden. Und es gibt noch Fälle, die noch weiter geprüft werden müssen.
Zuletzt definitiv gesehen wurde ein Wolf vor rund 14 Tagen in Leudelingen im Süden von Luxemburg. Weil sich die Sichtungen immer mehr dem belgischen Staatsgebiet nähern, hat die Wallonische Region im Mai das "Netzwerk Wolf" ins Leben gerufen. Hier erforschen Experten aus verschiedenen Disziplinen die Möglichkeit einer Rückkehr. Rund 30 Kontaktpersonen wurden ausgebildet, um vermeintliche Spuren und Sichtungen überprüfen. Außerdem soll das Netzwerk die Akzeptanz in der Bevölkerung gegenüber dem Wolf steigern und auf Ängste und Befürchtungen eingehen.
Generell ist die Akzeptanz in der Bevölkerung gegenüber dem einst verhassten Raubtier mittlerweile wieder etwas höher, meint Michael Pankert, auch wenn viele Ängste verbleiben. Der Wolf spaltet auch heute noch die Gemüter, und inspiriert Künstler, wie den Belgischen Elektropop-Künstler Max Colombie in seinem aktuellen Projekt "Oskar and the Wolfe".
Jeder, der glaubt, hier bei uns Wolfsspuren entdeckt zu haben, kann sich beim "Netzwerk Wolf" melden. Alle Informationen dazu gibt es im Netz unter der Adresse: reseauloup.be.
ake/est - Illustrationsbild: Uwe Zucchi/EPA