Letzten Montag hat Elisa (Name von der Redaktion geändert), die in Ostbelgien lebt und arbeitet, zuletzt mit ihrem Vater telefoniert. An dem Tag lief das Mandat des amtierenden Präsidenten Joseph Kabila ab. Weil er sich weigert, der Verfassung gemäß abzutreten und Neuwahlen zu organisieren gibt es seit Wochen Proteste gegen Kabila. Die werden massiv unterdrückt. Dazu gehört auch, dass der Zugang zu den Sozialen Medien gesperrt wurde.
Aus Angst vor Repressionen trauen sich Elisas Brüder nicht mehr nach Hause. "Sie haben alle Angst, weil die Soldaten zu den Leuten nach Hause kommen und junge Männer mitnehmen. Sie werden verhaftet und kommen nicht mehr zurück. Die zwei Söhne unserer Nachbarn sind weg. Bis heute weiß keiner, wo sie sind."
Mit Tränengas und Schusswaffen sind Sicherheitskräfte vergangene Woche gegen Demonstranten vorgegangen, die den Rücktritt Kabilas forderten. Nach UN-Angaben wurden 40 Menschen getötet und weitere 460 festgenommen. Nicht nur junge Menschen fürchten um ihr Leben. Elisa sorgt sich auch um ihre Eltern. "Ich habe Geld geschickt, so schnell wie möglich, damit meine Eltern wegkönnen. Jetzt sind sie in Brazzaville, solange im Kongo keine Ruhe ist. Wenn alles in Ordnung ist, können meine Eltern wieder zurück."
Nicht alle können es sich leisten, Schlepper zu bezahlen, die die Familie in Sicherheit bringen. Und auch Elisa spart sich die Unterstützung für die Familie im Kongo nur mühsam ab - aber ohne ihre Hilfe würden die Eltern nicht überleben, obwohl ihr Vater über 40 Jahre im öffentlichen Dienst gearbeitet hat, sagt sie. "Meine Mama ist 75 Jahre und sehr krank. Mein Papa ist 80 und hat kein Einkommen. Er ist in Rente, aber er bekommt nichts."
Elisas Bruder geht es so wie vielen anderen Kongolesen. Gut bezahlte Jobs gibt es nur für Kabila-Freunde, berichtet Elisa. Obschon er sein Studium abgeschlossen habe, bekomme er keine Arbeit und müsse mit 200 Dollar im Monat auskommen. Bei einer Miete von 100 Dollar reiht das niemals, sagt Elisa.
Kampf ums Überleben
Von einer katastrophalen Wirtschaftslage berichten auch Hilfsorganisationen. Die Menschen seien am Ende ihrer Möglichkeiten. Viele hätten nicht mehr genügend zu essen, in einigen Stadtvierteln wechselten sich die Familien tageweise mit dem Essen ab - so ein Misereor-Mitarbeiter nach einem Besuch in Kinshasa.
Es sind vor allem alte Leute und Kinder, die ums Überleben kämpfen müssen. "Wir haben über eine Million Straßenkinder, weil die Eltern nicht mehr in der Lage sind, sie zu ernähren. Sie gehen nicht zur Schule. Was sollen sie machen? Das geht nicht, das ist unmöglich. Deshalb gibt es im Kongo im Moment sehr viel Kriminalität."
Elisa und mit ihr viele andere sind am Ende mit ihrer Geduld. Sie wehren sich gegen Ungerechtigkeit und Korruption. Kabila hat kaum noch Rückhalt in der Bevölkerung. Die Menschen wollen endlich Veränderung für ihr Land. "Wir fragen nicht zu viel. Wir fragen eine Grundbasis fürs Leben. Aber bis jetzt ist nichts passiert. Die Leute, die Kabila unterstützen, bekommen 10.000 Dollar im Monat und Jeeps. Wir können nicht mehr. Er muss weg."
Von dem durch die Bischofskonferenz im Kongo ausgehandelten Kompromiss zwischen Kabila und dem Oppositionsführer Tshisekedi hält Elisa nichts. Das Abkommen sieht vor, dass Kabila noch ein Jahr im Amt bleibt, aber danach nicht mehr kandidieren darf. Bis Freitag soll es unterzeichnet werden. "Das bringt gar nichts. Kabila war 15 Jahre Präsident und hat nichts gemacht. Was wird er in einem Jahr machen?"
Verzweiflung und Wut spiegeln sich in Elisas Augen, wenn sie von den brutalen Gewaltszenen in ihrer Heimat berichtet, für die sie Kabila und seine Anhänger verantwortlich macht. Vergewaltigungen, Misshandlungen, Enthauptungen - die Bilder habe sie selbst im Internet gesehen. "Leute sterben jeden die Tag wie die Tiere. Das geht nicht mehr. Wir können nicht mehr."
Sie glaubt nicht mehr an einen möglichen Dialog mit Kabila. Ihre ganze Hoffnung setzt sie auf Hilfe von außen. "Das brauchen wir. Tschisekedi hatte bisher keine Waffen und keine Soldaten. Die Leute sind ohne Waffen auf die Straße gegangen. Aber Hilfe von außen, Druck von außen - das wird uns helfen."
mb/km - Bild: Griff Tapper/AFP