Einer von vielen Schulhöfen in Brüssel: Hier werden Panini-Bildchen getauscht; "Kevin De Bruyne" hat den Besitzer gewechselt. Wer geglaubt hat, dass im 21. Jahrhundert ein "analoges" Bilderalbum ausgedient hätte, der irrt sich - und zwar gewaltig. Seit Jahrzehnten sind die Panini-Bildchen spätestens alle zwei Jahre der Hit auf den Schulhöfen. Und eben weil das so ist, beschränkt sich das Phänomen längst nicht mehr nur auf die Kleinen. Meist haben die Väter ja in ihrer Kindheit auch schon gesammelt.
Inzwischen sammelt quasi jeder, sagt Thierry de Latre du Bosqueau von Panini-Belgien: Kleine Jungs, kleine Mädchen, aber auch die Eltern, und sogar die Großeltern sind an dem Unternehmen beteiligt: Sie organisieren meist die Tauschbörsen. Passt also fast schon zum alten Motto aus der Hochzeit von Tim und Struppi: von 7 bis 77.
In diesem Jahr zirkulieren besonders viele Bilder auf den Schulhöfen und bei Tauschbörsen. Erstmal, weil wir eben eine EM haben, sagt Thierry de Latre du Bosqueau. Hinzu kommt aber, dass unsere Roten Teufel diesmal für besonders viel Begeisterung sorgen bei den Kindern und Jugendlichen.
Eben diese Begeisterung, die will sich aber außerhalb der Panini-Welt immer noch nicht so richtig einstellen. "Wo ist der Hype", fragte sich kürzlich noch etwas verdutzt die Zeitung Het Laatste Nieuws. Naja, was nicht ist, das kann ja noch werden: Die Roten Teufel haben ja erst am Montag ihren ersten Auftritt, und das gleich mit dem Schlagerspiel gegen Italien.
Freistoß-Spray aus Limburg
Einige Limburger werden aber schon am Freitagabend beim Eröffnungsspiel ganz genau hingucken. Die Firma Expoline aus Tessenderlo wird bei jedem Spiel in gewisser Weise ihren Auftritt haben, genau gesagt bei jedem Freistoß, wenn der Schiedsrichter mit weißem Spray eine weiße Linie über den Rasen zieht, um die Mauer auf Distanz zu halten. Dieses so genannte Vanishing-Spray oder auch Freistoß-Spray, das wird nämlich eben bei Expoline produziert.
"Wir haben einen Exklusivvertrag mit der UEFA", sagt Raf Bogaerts, Geschäftsführer von Expoline. "Wir haben schon die Schiedsrichter in der Championsleague ausgerüstet. Und jetzt sind wir natürlich froh, dass unser Spray auch bei der EM zum Einsatz kommt." Das besondere an diesem Freistoß-Spray ist ja, dass die Linie quasi direkt nach dem besagten Freistoß eben wieder verschwindet. Sie löst sich buchstäblich in Luft auf.
Andere hoffen dagegen auch auf bleibende Werte, quasi im Fahrwasser der Europameisterschaft. In erster Linie natürlich die ausrichtenden Franzosen, die sich von der EM einen wirtschaftlichen Impuls erhoffen.
Hoffnungsträger Rote Teufel
Doch auch in Belgien wünschen sich am Freitag einige Zeitungen, dass die Roten Teufel das Land quasi aus der Depression führen. Klar: "Wenn die Nationalmannschaft erfolgreich ist, dann kann das quasi das ganze Land beflügeln", sagte der Politikwissenschaftler Jean-Michel De Waele in der RTBF. Man sollte diesen Effekt aber nicht überbewerten, zumal er meistens auch schnell wieder verpufft.
De Waele ist zwar von Hause aus Politikwissenschaftler, er interessiert sich aber auch für Fußball; das allerdings eben aus der Sicht des Wissenschaftlers, der er ist. Besonders beschäftigt ihn die Frage, inwieweit es Wechselwirkungen zwischen beiden Welten gibt, also zwischen der Politik und dem Fußball. Häufig hört man ja, dass die Roten Teufel das zerrüttete Land möglicherweise am Ende sogar wieder zusammenschweißen könnten.
"Da wäre ich vorsichtig", sagt Jean-Michel De Waele. Man stellt fest, dass insbesondere in Flandern die Jugendlichen viel unverkrampfter mit Belgien umgehen, auch mit den belgischen Symbolen, die früher für ihre Eltern und Großeltern noch Symbole der Unterdrückung waren. Nur hat eben jede Generation ihre Sicht auf die Dinge. Das haben aber nicht die Roten Teufel bewirkt, der Fußball erschafft nichts, er bringt allenfalls die Dinge ans Licht.
Und doch muss man feststellen, dass es plötzlich junge Belgier gibt, die ehrgeizig sind, die ganz unbescheiden sogar den EM-Titel gewinnen wollen. Das ist dann doch durchaus neu... Ob sich der Ehrgeiz am Ende auszahlt, das wissen wir aber erst in einem Monat.
Roger Pint - Bild: Bruno Fahy (belga)