Um 7:58 Uhr jagen sich Ibrahim El-Bakraoui und Najim Laachraoui kurz hintereinander in der Abflughalle des Brussels Airport in die Luft. Im und um den Flughafen herrscht Ausnahmezustand. Die Rettungsdienste sind schnell zur Stelle und versorgen die Verletzten.
Dass es sich um einen Terroranschlag handelt, ist schnell klar. Die Anweisung, die Metro zu schließen, kommt dann später. Laut Innenminister Jan Jambon offiziell um 8:50 Uhr. Doch verschiedene Zeugenaussagen lassen vermuten, dass doch schon früher davon die Rede gewesen sein muss.
Zum Beispiel der Brüsseler Ministerpräsident Rudy Vervoort, der sich schon gegen 8:30 Uhr erkundigt, was zu tun sei, sagt VRT-Politikjournalist Ivan de Vadder. Und dann gibt es da noch die Aussage des SP.A-Vorsitzenden John Crombez. Er sitzt am 22. März im Zug von Ostende nach Brüssel und bekommt mit, wie jemand einen Anruf erhält, alle Metrostationen in Brüssel zu schließen - Uhrzeit 8:45 Uhr. Es muss also bereits vorher etwas entschieden worden sein, schlussfolgert Ivan De Vadder. Die Untersuchungskommission hat also so einiges zu klären.
Ob die Metro nach den Anschlägen in Zaventem auch schnell und effektiv genug geräumt wurde, wurde bereits diskutiert. Sicherlich wird eine solche Entscheidung nicht mal eben so getroffen, doch der Vorwurf steht im Raum, ob es nicht eben doch zu lange gedauert hat.
In Belgien kommt dann auch die Frage auf: Wer hat das überhaupt zu entscheiden? In einer Pressekonferenz nach den Anschlägen hatte Innenminister Jan Jambon beiläufig die Bemerkung fallen gelassen, dass die Region Brüssel für die Metro zuständig sei. Beweis dafür: der Anruf von Ministerpräsident Rudy Vervoort.
Typisch belgisch
Andererseits hat Brüssels Mobilitätsminister Pascal Smet in der vergangenen Woche deutlich gemacht, dass zwar die Region Brüssel für den Betrieb und die Organisation der Metro zuständig ist, für das Schließen und Öffnen bei Terroranschlägen sei aber der Föderalstaat zuständig. Ivan de Vadder fasst zusammen: Der Ball liegt jetzt wieder beim Krisenzentrum, beziehungsweise beim Innenminister.
Ein typisch belgisches Problem. Für Ivan de Vadder ist daher auch schwer einzuschätzen, wer jetzt verantwortlich war. Tatsache ist: Um 9:04 Uhr wurde das Terrorniveau auf vier erhöht und gleichzeitig bekannt gemacht, den öffentlichen Nahverkehr zu schließen. Verkündet wurde die Schließung dann offiziell um 9:12 Uhr durch den Chef der Brüsseler Verkehrsbetriebe. Der so ganz nebenbei niemals den Befehl erhalten haben soll, die Metro zu schließen.
Es herrscht allgemeiner Konsens, dass man mitten im Berufsverkehr innerhalb weniger Minuten kein komplettes Metronetz evakuieren kann. Die ersten Überwachungsbilder von den Terroristen an der Station Pétillon stammen von 8:45 Uhr. Wie viel schneller hätte man da noch reagieren können? Und vor allem: Was wäre passiert, wenn man mit der Evakuierung begonnen hätte, als die Terroristen noch in der Station waren?
Glück im Unglück. Die Armee hatte die Gefahr schnell erkannt und einige Soldaten abgezogen, die sich gerade bereit gemacht hatten für einen Bewachungsauftrag an einer Botschaft in der Nähe. Sie konnten dann den Opfern sofort helfen.
Die parlamentarische Untersuchungskommission soll jetzt nicht nur die Abläufe am Attentatstag untersuchen, sondern auch, was man für die Zukunft verbessern kann. Müssen die Notfallpläne und die Befehlskette angepasst werden? Mit diesen Fragen werden sich die Abgeordneten nun beschäftigen. Hinter verschlossenen Türen.
Volker Krings - Bild: Thierry Roge/BELGA