"Wir haben keine Kunden mehr", sagte ein Brüsseler Restaurantbetreiber. "Total krass war das: An einem Tag waren noch alle Tische besetzt - und dann war plötzlich alles leer." Der Umsatz der Geschäftsleute brach im Durchschnitt um rund 40 Prozent ein, wie eine Umfrage der Brüsseler Handelskammer ergab.
Das alles ist das Resultat einer wirklichen Schwarzen Serie, die die Hauptstadt getroffen hat. Erst der Lockdown im November, als tagelang quasi keine Menschenseele auf der Straße zu sehen war. Die Schockwelle wirkte nach bis zu den Festtagen am Jahresende. Sogar das Silvesterfeuerwerk musste abgesagt werden, der Jahreswechsel war insgesamt doch ziemlich trist.
Dann kamen die Tunnels. Einer nach dem anderen musste wegen gravierender Sicherheitsmängel geschlossen werden. Da überlegt es sich so mancher auch zwei Mal, bevor er mit dem Auto in die Hauptstadt fährt.
Und dann natürlich der dramatische Höhepunkt vor einem Monat: die Anschläge vom 22. März. Nicht nur, dass viele danach schlichtweg zu viel Angst hatten, "mal eben" nach Brüssel zu fahren. Hinzu kam, dass auch der Öffentliche Nahverkehr nur sehr langsam wieder in Fahrt kam. So richtig normalisiert hat sich die Lage immer noch nicht.
"Resultat: Im Moment machen viele immer noch einen großen Bogen um die Hauptstadt", sagt Olivier Willocx vom Wirtschafts- und Sozialrat der Region Brüssel. "Die meisten internationalen Versammlungen wurden an andere Orte verlegt. Die Leute glauben, dass Brüssel nicht sicher ist. Viele haben auch nicht wirklich Lust, ins Stadtzentrum zu fahren."
Besonders betroffen ist eben das Hotel- und Gaststättengewerbe. Viel zu lange herrschte quasi gähnende Leere in vielen Hotellobbys. Manchmal konnte man die Gäste an einer Hand abzählen. "Wir sparen, wo es nur geht", sagte ein Hotelier in der RTBF. "Wir haben unser Blumenbudget gekürzt, Zeitungsabos gekündigt, so kann man einige tausend Euro zusammenkratzen. Das macht den Bock aber auch nicht fett."
Viele Etablissements haben ihrem Personal "Kurzarbeit" verordnet, technische Arbeitslosigkeit. Das ist aber an Bedingungen geknüpft. "Bislang gilt dieser 'Ausnahmezustand' nur bis Ende April. Das ist aber viel zu knapp, diese Periode muss verlängert werden", sagt Sophie Blondel vom Verband des Brüsseler Hotelgewerbes.
Denn genau das ist der Punkt: Dieser Zustand dauert an. "Vielleicht ist für die eigentlichen Brüsseler wieder so eine Art Normalität zurückgekehrt, die Touristen blieben der Stadt aber weiter fern", erklärt Blondel.
Appell an die Politik
Wenn das so weitergeht, dann stehen am Ende 10.000 Arbeitsplätze auf der Kippe, rechnen die Wirtschaftsverbände vor. Deshalb auch der Aufruf an die Politik. Jan De Brabanter vom Brüsseler Unternehmer- und Handelsverband fordert etwa die zeitweilige Abschaffung einiger Steuern. "Wir müssen den Betrieben Sauerstoff zuführen, damit sie ihr Personal weiter bezahlen können", sagt De Brabanter.
Nur beginnt hier dann gleich wieder das typisch belgische Kompetenz-Gerangel. Die Brüsseler Regionalregierung hatte die Sozialpartner zu einem Krisengipfel geladen. Dabei wurde den örtlichen Geschäftsleute Hilfe versprochen, zugleich gab es aber scharfe Kritik an der Föderalregierung.
Die sei der Situation bis jetzt noch überhaupt nicht gerecht geworden, beklagte Regionalminister Didier Gosuin (Défi). "Warum bringt die Föderalregierung nicht mal alle Regionen und Gemeinschaften an einen Tisch, damit alle zusammen überlegen können, wie insbesondere Brüssel aus dem Schlamassel herauskommt?", fragte Gosuin.
Bis jetzt, so beklagen es jedenfalls viele Geschäftsleute, gelte einfach nur: Zu wenig, zu spät.
Roger Pint - Illustrationsbild: Laurie Dieffembacq/BELGA