"So sieht Salah Abdeslam heute aus", schreiben Het Nieuwsblad und auch die Schwesterzeitung De Standaard. Es ist in jedem Fall das erste Foto des Hauptverdächtigen der Pariser Terroranschläge nach seiner Festnahme. "Die Ermittler hätten bei der Verhaftung zwei Mal hinschauen müssen, um ihn als Salah Abdeslam zu identifizieren", hatte es geheißen. Sein Haar ist auf dem Foto ein bisschen länger und auch struppiger als auf dem allseits bekannten Fahndungsbild. Auch trägt er jetzt einen flaumigen Vollbart. Ansonsten ist der 26-Jährige durchaus zu erkennen.
Wie Het Nieuwsblad an das Foto gekommen ist, das sagt das Blatt freilich nicht. Da gibt es aber nicht so furchtbar viele Möglichkeiten. Aufgenommen wurde das Bild offensichtlich in der Haftanstalt von Brügge. Und Het Nieuwsblad hat da offensichtlich eine ziemlich redselige Quelle aufgetan. Salah Abdeslam sei demnach ein "Muster-Häftling", "ein braver Junge", sagt sogar die ungenannte Quelle. Im Gefängnis könne man jedenfalls nichts Negatives über den Häftling sagen; und, so fügt die Quelle hinzu: "Er hat einen gesunden Appetit". Salah Abdeslam hat im Vergleich zum Fahndungsbild offensichtlich etwas zugenommen.
Besonders verstörend ist aber der leere Blick. Fast schon bedröppelt schaut Abdeslam in die Kamera, müde, mit dicken Ringen unter den Augen. Nun, das liege an seinen Haftbedingungen, sagt freimütig der anonyme Informant von Het Nieuwsblad. Acht Mal pro Stunde müsse ein Wärter nach dem Rechten sehen. Jedes Mal werde dafür auch das Licht angeknipst, eben um sich zu versichern, dass alles ok ist, dass sich also der Häftling nicht versucht, etwas anzutun.
Am Dienstag soll Abdeslam erneut verhört werden. Es geht um seine Verwicklung in die Schießerei in Forest, drei Tage vor seiner Festnahme. Abdeslam war da zusammen mit einem Komplizen ein letztes Mal der Polizei entkommen. Ein dritter Terrorist war von den Sicherheitskräften erschossen worden.
Erst, wenn die belgischen Ermittlungen abgeschlossen sind, wird Abdeslam an Frankreich ausgeliefert. Das soll aber in den nächsten Wochen passieren.
Haftbefehl gegen zwei weitere Verdächtige erlassen
Die Föderale Staatsanwaltschaft hat unterdessen am Dienstag bekanntgegeben, dass gegen zwei weitere Verdächtige Haftbefehl erlassen wurde. Es handelt sich um zwei Brüder, die anscheinend die konspirative Wohnung in Etterbeek angemietet haben sollen. Dort hatte die Polizei am Samstag eine großangelegte Hausdurchsuchung durchgeführt. Nach Erkenntnissen der Ermittler sollen die beiden Metroattentäter die Wohnung genutzt haben: Khalid El Bakraoui, der sich in der Station Maelbeek in die Luft sprengte und Osama Krayem, der inzwischen in U-Haft sitzt. Am Tag der Anschläge gingen sie von der Wohnung in Etterbeek aus zur Station Pétillon, wo sie von einer Überwachungskamera gefilmt wurden. Auf den Bildern ist zu sehen, dass Krayem den gleichen Rucksack trägt wie El Bakraoui. Wo dieser Rucksack ist, das weiß man nicht. In der Wohnung in Etterbeek haben ihn die Ermittler jedenfalls nichts gefunden.
Und es gibt nach wie vor noch eine ganze Reihe von anderen Fragezeichen. Angefangen bei den Informationen, die die Justiz als "gesichert" bezeichnet. Diese Ansicht vertrat am Montag noch der Terrorismusexperte Pieter Van Ostaeyen in der VRT. Er hatte von Anfang an Zweifel daran geäußert, dass es sich bei Mohamed Abrini wirklich um den "Mann mit Hut" handelte. "I'm not buying this", schrieb er auf Twitter: "Ich kauf' ihm das nicht ab". Und Pieter Van Ostaeyen bleibt dabei: "Also, wir sollen jetzt glauben, dass Abrini mal eben alles zugibt, alle Pläne offenlegt. Und auch, dass er seinen Hut verkauft hat." Das seien doch Ammenmärchen. "Die Terroristen wollten uns doch nur in Sicherheit wiegen", sagt der Experte. "Wir haben es doch gesehen nach der Verhaftung von Abdeslam. Da waren alle noch euphorisch, da hieß es, wir haben die Terrorzelle aufgerollt. Man hat leider gesehen, dass das nicht stimmte. Und jetzt darf man das auch nicht glauben."
Vorbei sei also gar nichts und glauben dürfe man auch nichts. Frage ist auch, was von den Dateien zu halten ist, die man auf dem Computer von Ibrahim El Bakraoui entdeckt hat. Der Laptop war in einem Mülleimer gefunden worden, nicht weit von der konspirativen Wohnung in der Rue Max Roos in Schaerbeek. Darauf hat man nicht nur ein Testament des Selbstmordattentäters von Zaventem entdeckt, sondern noch einen aufschlussreichen Ton-Mitschnitt. Zu hören ist ein Gespräch zwischen den Brüsseler Terroristen und einem mutmaßlichen Strippenzieher in Syrien, angeblich in der IS-Hauptstadt Raqqa. War es ein Zufallsfund? Oder sollten die Ermittler den Rechner finden? Nach wie vor gibt es mindestens genauso viele Fragen wie gesicherte Antworten.
Roger Pint - Bild: Anthony Dehez/BELGA