"Was wir gestern erleben mussten, das bleibt unglaublich, unbeschreiblich". Wie Innenminister Jan Jambon stehen viele immer noch tief unter dem Eindruck der gestrigen Ereignisse in Brüssel. Die Bilanz der Anschläge am Brussels Airport ist und bleibt dramatisch und die Zahlen werden immer noch eher nach oben als nach unten korrigiert.
"Unter den Opfern sind Menschen aus rund 40 Ländern", sagte Außenminister Didier Reynders. "Allein das zeigt, dass die Terroristen mit Brüssel quasi ganz Europa, um nicht zu sagen die Welt, getroffen haben."
Das sagte auch der französische Premierminister Manuel Valls, der am Mittwoch zu Besuch in Brüssel war. "Hier wurde auch Europa attackiert. Einmal mehr ein Beispiel dafür, dass auch die Antwort eine europäische sein muss", so Valls. Die Visite war schon seit Längerem geplant, wurde aber trotz der Ereignisse nicht abgesagt. Man will demonstrativ Entschlossenheit an den Tag legen.
"Entschlossenheit", das Wort nahm auch Premierminister Charles Michel immer und immer wieder in den Mund. "Wir sind entschlossen, die Werte zu verteidigen, die uns am Herzen liegen. Natürlich ist die Aufgabe komplex, und klar fühlen wir im Moment in erster Linie immer noch Schmerz."
Einheit und "Normalität"
Einheit ist das Gebot der Stunde: Einheit zwischen Frankreich und Belgien, Einheit aber auch "innerbelgisch". Am Nachmittag kamen die Ministerpräsidenten aus Flandern, der Wallonie, Brüssel und der Deutschsprachigen Gemeinschaft dorthin, wo Menschen den ganzen Tag lang Mahnwachen abgehalten haben, zur Brüsseler Börse nämlich. "Wir fühlen uns alle betroffen, sind alle mitgenommen", sagte der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette. "Und dann ist es eben auch ein Symbol für die Einheit des Landes."
Die Regierungen sind ihrerseits bemüht, dass so schnell wie möglich wieder Normalität zurückkehrt. "Normalität in Anführungszeichen", wie es Außenministern Didier Reynders formulierte. "Wir wussten immer um die Bedrohung in diesem Land. Jetzt erst recht müssen wir aber unsere freiheitlichen Werte leben, wenn es auch nicht einfach ist."
Ähnlich äußerte sich der Brüsseler Ministerpräsident Rudi Vervoort. "Wir wollen, dass das Leben weitergeht, selbst wenn wir im Hinterkopf wissen, dass eben dieses Leben nie mehr das gleiche sein wird." Vervoort und alle anderen politisch Verantwortlichen sind jedenfalls fest entschlossen, einen Lockdown wie im vergangenen November mit allen Mitteln zu vermeiden.
Erste Fahndungserfolge
Die Frage aller Fragen lautet jetzt: Hätten die Attentate verhindert werden können? Haben die belgischen Sicherheitskräfte "geschlafen", wie man es ihnen ja oft aus dem Ausland vorwirft? Diese Fragen wird man wohl nie beantworten können, sagt der Europäische Anti-Terror-Beauftrage Gilles De Kerchove. Kamikaze-Terroristen, die den eigenen Tod in Kauf nehmen, um Menschen zu töten, seien unheimlich schwer aufzuhalten.
Die ersten Fahndungserfolge der Polizei stimmten in jedem Fall doch etwas optimistisch, sagt De Kerchove. Offenbar gehörten die bisher identifizierten Terroristen zu derselben Terrorzelle wie die Gruppe um Salah Abdeslam. Das würde also zumindest bedeuten, dass man es nicht mit einer neuen Terrorzelle zu tun hat, die man noch nicht kannte. Der Täterkreis bleibe damit überschaubar.
Die Regierungsspitze hatte am Morgen über das weitere Vorgehen beraten. Dabei lag auch die Option auf dem Tisch, dass sich die Regierung Sondervollmachten gibt, um schneller reagieren zu können. Das wäre faktisch ein Ausnahmezustand. "Das gehört aber nicht zur demokratischen Kultur in diesem Land", sagte Innenminister Jan Jambon. "Wir haben schon eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen. Die müssen teilweise noch umgesetzt werden. Und gegebenenfalls, wenn es die Situation erfordert, nehmen wir eben Korrekturen vor. Erstmal sollten wir aber versuchen, einen kühlen Kopf zu bewahren."
Roger Pint - Bild: Thierry Roge/BELGA