Aller Protest hat nichts genutzt. Tihange 2 hängt wieder am Netz. Ende März 2014 war er abgeschaltet worden, nachdem man Risse in der Reaktorhülle entdeckt hatte. Internationale Atomexperten hatten daraufhin Stahlproben untersucht. Bis auf einen waren sich alle Experten einig. Die Risse sind kein Verschleiß sondern ein Materialfehler. Und dieser habe keinen Einfluss auf die Sicherheit des Reaktors. Die Atomaufsichtsbehörde FANK hatte daraufhin Mitte November grünes Licht gegeben.
Mehr Protest in Deutschland als hierzulande
Erstaunlicherweise ist der Protest auf der anderen Seite der Grenze von Beginn an viel größer gewesen als hierzulande. Léo Tubbax von 'Stop Nucléaire Kernenergie' sieht dafür zwei Gründe. Zum einen war die belgische Antiatombewegung mit dem beschlossenen Atomausstieg 2003 quasi über Nacht nutzlos geworden. Zum anderen seien die Medien hierzulande bei dem Thema Atomenergie etwas vorsichtiger, um es nett auszudrücken.
Das 'Forum Nucléaire', quasi der Interessenverband der Nuklearindustrie schaltet ganzseitige Anzeigen, aufwendige Radio- und Fernsehspots, und trommelt in Internetkampagnen für die Atomenergie als Mittel gegen den Klimawandel. Leo Tubbax nimmt das Wort Zensur oder Korruption nicht in den Mund, aber unterstellt den belgischen Medien eine gewisse Sensibilität.
Die Entscheidung der Atomaufsichtsbehörde Tihange 2 wieder hochfahren zu lassen, ist seiner Meinung nach ebenfalls rein politisch. Den Expertenbericht stelle er nicht in Frage, aber die Schlussfolgerungen, die man daraus ziehe. 2014 seien die Ergebnisse die gleichen gewesen. Damals habe man den Reaktor abgeschaltet, jetzt fahre man ihn wieder hoch. Die finanzielle, wirtschaftliche Sicht der Dinge habe sich verändert, nicht die wissenschaftlichen Resultate.
Experten-Gutachten wird falsch interpretiert
Jörg Schellenberg vom 'Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie' sieht das ähnlich. Das Gutachten sage eigentlich alles aus, es werde nur falsch interpretiert.
Das grenzüberschreitende Bündnis 'Stop Tihange' will jetzt juristisch gegen die Entscheidung vorgehen. Die Gegner rechnen sich gute Chancen aus, mit einer einstweiligen Verfügung durchzukommen.
Auf deutscher Seite will man den politischen Druck erhöhen. Hinter den Kulissen soll das bereits geschehen sagt Jörg Schellenberg. Vor allem auf die EU soll gerade Deutschland seine starke Position ausspielen und von oben Druck machen. Bisher laufe da nämlich nicht viel.
Auch Leo Tubbax will weiter kämpfen. Die Zahlen von Tihange zeigen, dass es ein Problem gibt. Und wenn es ein Problem gibt, dann lässt man es lieber mit der Atomenergie.
Volker Krings - Bild: Eric Lalmand (belga)