Etwas ist faul im Staate Belgien, könnte man in Abwandlung des Marcellus'-Zitats in Shakespeares Hamlet antworten. Etwas? Offensichtlich mehr als nur ein gewisses Etwas. Ja, man gerät leicht in Not, wenn man erklären soll, was sich da alles zusammenbraut im Königreich des Surrealismus'. Ist das Belgien, was da abgebildet wird in den Medien? Ein Glück, dass es immer nur ein Bild ist, das wir zu sehen bekommen. René Magritte hätte es vielleicht so betitelt: "Ceci n'est pas une pipe" - dies ist keine Pfeife...
Belgien, Weltrekordhalter als Land ohne Regierung, jetzt mitregiert von ausgewiesenen Separatisten, von unbelehrbaren Ausländerhassern. Von einem für Asyl- und Migrationsfragen zuständigen Staatssekretär Theo Francken, der sich zu homophoben und rassistischen Aussagen versteigt. Der überzeugt ist, dass "die Anwesenheit von Migranten aus Marokko, Algerien und dem Kongo keine Bereicherung für das Land ist". Von einem Innenminister Jan Jambon, den es drängt, die Nazi-Kollaboration im Zweiten Weltkrieg zu relativieren. Und im gleichen Atemzug wird ein restriktiverer Umgang mit Asylbewerbern angekündigt. Zu einer Zeit der Massenfluchten aus den zahllosen Kriegsgebieten dieser Welt. Ist dieses Land noch unser Land?
Ein Land, in dem Regierende sich selbst bedienen ohne Scham, in dem längst überflüssige Institutionen wie Senat und Provinzen künstlich am Leben erhalten werden. Ein Land, in dem ein rigoroser Sparkurs zu Lasten der Schwachen droht, in dem die Wut über soziales Unrecht sich Bahn bricht - bis hin zu üblen Straßenschlachten und beängstigenden Übergriffen von Hooligans.
Die Föderalregierung mit flämischen und wallonischen Liberalen, den Nationalisten der N-VA und den Christdemokraten aus Flandern wird noch vor der Jahreswende so manchen Sturm erleben. Und der könnte einiges aus den Angeln heben. Soviel ist sicher. Das Land wird sich weiter verändern, vermutlich nach rechts - es gibt die berechtigte Sorge, dass in diesem Prozess Toleranz, Menschlichkeit und soziale Gerechtigkeit auf der Strecke bleiben. Fatal wäre es, aus einer solchen Entwicklung die falschen Schlüsse zu ziehen und auf die Ausländer als Schuldige zu zeigen. Leider wird dieser Reflex von Teilen der Michel-Regierung immer wieder als politisch-populistisches Stilmittel eingesetzt. Nicht die Fremden, die Flüchtlinge, die Asylsuchenden sind die Begründer des belgischen Elends. Nein! Wir Belgier sind Urheber dieser Misere.
Der ehemalige ostbelgische Ecolo-Politiker Dieter Leonard schreibt in seinem Kommentar auf der Internetseite des BRF den schlichten Satz: "Es ist an der Zeit, sich zu wehren." Das sollte nicht als Aufruf zur Anarchie, sondern als Weckruf zu mehr Zivilcourage und Bürgermut aufgefasst werden. Und dabei geht es um mehr als um das Aufpolieren des ramponierten Ansehens dieses Landes in Europa und der Welt. Auch wenn es pathetisch klingen mag: Es geht wieder einmal um die Existenz Belgiens, seine Würde und die seiner Bürger. Und es hat nichts mit Gutmenschentum zu tun, wenn man sich wünscht, wieder in den Spiegel schauen zu können.
Foto: Achim Nelles
Als Nicht-Belgier (Deutscher mit elterlichem Migrationshintergrund) muss ich sagen, dass ich das belgische Volk stets als sehr freundlich und tolerant erlebt habe. Nirgends - selbst in den Niederlanden nicht - waren die Menschen so nett und schöngeistig wie in Belgien. ... Den politischen Rechtsruck (der sich nicht nur auf Belgien beschränkt) kann ich mehr als nachvollziehen, wenn man Berichte vernimmt, in denen sich Rettungsfahrzeuge in bestimmte Bezirke Brüssels nicht mehr trauen und die Polizei von Steinewerfern aus dem nicht-abendländischen Kulturkreis angegriffen wird. Dass die Belgier da Angst um das Gewaltmonopol ihres Staates haben ist verständlich.
Rechts-Links-Bewegungen sind für eine Demokratie nicht ungewöhnlich. Man sollte lieber thematische Argumente austauschen als nur platt auf die angebliche neue Intoleranz der Belgier zu schimpfen... 😉
Ein Kapitalist, ein Bild-Leser und ein Asylbewerber sitzen am Tisch. Auf dem Tisch liegen 12 Kekse. Der Kapitalist nimmt sich 11 Kekse und sagt zu dem Bild-Leser: "Pass auf, der Asylbewerber will deinen Keks!"
Ich habe mich in letzter Zeit in einigen wallonischen Medien über die belgische Politik informiert. Aber kaum ein Beitrag war so einseitig wie der hier.
Für die "unbelehrbare Ausländerhasserpartei" NVA sitzen junge muslimische Frauen in den Parlamenten. Die neue belgische Regierung repräsentiert die überwältigende Mehrheit der Flamen. Und die Wallonen? Wäre die ehemalige PSC nicht nur noch ein Wurmfortsatz der PS, dann wäre auch die Wallonie besser vertreten.
Eigentlich muß Belgien doch zufrieden sein, dass die korrupte PS nicht mehr an die Regierung beteiligt ist. Diese Partei hat dieses Land doch erst in diese Situation gebracht, wo es heute ist. Während dieser Zeit hat Belgien es versäumt, notwendige Reformen durchzuführen und das staatliche Defizit zu reduzieren. Die Schulden des Landes entsprichen 100 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Auch das jährliche Haushaltsdefizit liegt seit Jahren über den drei Prozent, die der europäische Stabilitätspakt toleriert. Die Alterung der Gesellschaft und die höchsten Arbeitskosten in der Eurozone machen Reformen unausweichlich.
Aber in einem hat Herr Schroeder recht: "Nicht die Fremden, die Flüchtlinge, die Asylsuchenden sind die Begründer des belgischen Elends. Nein! Wir Belgier sind Urheber dieser Misere". Nur verschweigt der Autor die wahren Gründe dieses Elends!