Der Erste Weltkrieg, ein für Belgien traumatisches Ereignis. Die ganze Welt zeigte Mitgefühl mit "poor little Belgium", dem armen kleinen Belgien. Am 4. August 1914 marschierten deutsche Soldaten in das neutrale Belgien ein. Auf ihrem Weg, der sie eigentlich nach Frankreich führen sollte, hinterließen sie eine Schneise der Verwüstung.
Was ist 100 Jahre später davon noch sichtbar?
Poor little Belgium: Überblick
Teil 4: Ypern und der Westhoek
"Meine geliebte Mutter. Ich schreibe Dir diesen Brief, den George Dir überreichen wird, wenn ich tot bin." Lionel Roosemont liest einen Auszug aus dem Brief eines britischen Soldaten vor, den dieser 1914 kurz vor seinem Tod verfasst hat. Roosemont ist Lokalhistoriker und Fremdenführer. Spezialgebiet: Erster Weltkrieg. Er nimmt uns mit auf den "Essex Farm Cemetery", einen britischen Soldatenfriedhof. Soldatenfriedhöfe gehören hier im Westhoek zur Landschaft, mehr als 200 gibt es davon. Und so unglaublich es auch klingen mag: Jedes Jahr kommen neue Grabsteine hinzu – auch noch 100 Jahre nach dem Krieg.
Ypern und der Westhoek – das war eines der großen Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs. Eine halbe Million Soldaten liegt hier begraben. Belgier, aber vor allem Briten, Franzosen, Deutsche, Kanadier, Australier, Amerikaner: Fast 50 Nationen von allen Kontinenten haben Truppen geliefert. Der Westhoek ist weltweit bekannt – wegen der mörderischen Kämpfe, wegen der Schützengräben, und auch wegen einer kleinen, roten Blühte.
Auf den frisch aufgeschütteten Hügeln der Soldatengräber begann der Klatschmohn als erstes zu blühen. Im englischsprachigen Raum sind die roten Mohnblüten aus Ypern, die "poppies", bis heute ein Symbol für das Gedenken an gefallene Soldaten.
Ypern gehört zu den Schlüsselmomenten des Ersten Weltkriegs. Knapp drei Monate nach dem Einmarsch in Belgien kommen die deutschen Truppen nicht mehr weiter. Aus dem Bewegungskrieg wird plötzlich ein Stellungskrieg, erklärt Geneviève Warland, Historikerin und Professorin an der Universität Neu-Löwen. Die Soldaten graben sich ein: Die Westfront und ihre Schützengräben entstehen. Schwere Artillerie-Granaten werden immer wieder abgefeuert und verwandeln das Gebiet in eine irreale Kraterlandschaft. Die Deutschen starten im April 1915 bei Ypern den ersten Giftgasangriff der Geschichte.
In und um Ypern erinnert auch 100 Jahre danach noch vieles an den Ersten Weltkrieg, den „Großen Krieg“. Seit 1928 wird in Ypern täglich um punkt 20 Uhr der Verkehr angehalten und unter dem Denkmal an der Meenenpoort der Last Post geblasen. Zum Gedenken an die unzähligen Opfer dieses sinnlosen Kriegs.