Der Trubel um die Roten Teufel hat inzwischen fast schon verrückte Ausmaße angenommen. Die Zeitungen sind seit Tagen voll mit Geschichten um und über die Fußballnationalmannschaft.
De Morgen stellt sich die Frage, was denn da im Moment los ist. Plötzlich steht "Belgien" wieder hoch im Kurs, plötzlich sieht man überall belgische Fahnen - und das gilt auch für Flandern.
In Flandern hatte man immer mal wieder den Eindruck, dass man den Begriff Belgien am liebsten nur dann verwendet, wo etwas nicht funktioniert. De Morgen spricht von einer "belgischen Renaissance". Die Flamen hätten sich bis vor Kurzem noch fast schon geschämt, sich selbst als Belgier zu bezeichnen - jetzt sei das anders, analysiert die Zeitung. Und auch Frederik Van Lierde, der Sieger beim Ironman auf Hawaii, plötzlich wieder ein Belgier.
Mit "belgischer Renaissance" ist aber nicht die Sehnsucht nach dem "Belgien von früher" gemeint. De Morgen sagt sogar, dass das Ganze gar nichts mit "Nationalismus" zu tun hat. Vielmehr haben sich die Menschen nach einem kollektiven Erfolgserlebnis gesehnt. Jahrelang steckte Belgien in einer existentiellen Krise, und jetzt erleben wir so eine Art "kollektiven Befreiungsschlag".
Der MR-Politiker und ehemalige Fußball-Funktionär Alain Courtois hat noch eine andere These. "Den jungen Menschen ist es ganz einfach piep-egal, ob in der Frittenbude in Kortrijk Französisch oder Flämisch gesprochen wird. Die junge Generation findet das einfach lächerlich", meint Courtois im RTBF-Interview.
Inwieweit ist das Ganze politisch?
Jetzt stellt sich natürlich jeder die Frage: Kann diese "Belgische Renaissance" auch Wahlen beeinflussen? Der Leitartikler von De Morgen hat schon vor einigen Monaten geschrieben, dass der schärfste Gegner von Bart De Wever wohl Vincent Kompany heißt. Die jüngste Umfrage von VRT und De Standaard sieht die N-VA bei 28 Prozent. Das ist der Stand von 2010 und immer noch viel, aber für die N-VA ist das dennoch ein Rückschlag, man stand auch schonmal bei 36 Prozent. De Wever selbst räumte ein, dass die Umfrage enttäuschend sei. Aber: "Sport und Politik haben nichts miteinander zu tun", sagt De Wever.
In der Tat kann man schwerlich behaupten, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen den Umfrageergebnissen und den Erfolgen der Roten Teufel. Studien weisen auch darauf hin, dass die Menschen immer zufriedener sind mit der Arbeit der Regierung. Aber einige Politiker versuchen dennoch, auf dieser Welle mit zu surfen. Man hat quasi schon die komplette Regierung mit Belgien-Schal gesehen.
Beobachter stellen sich sogar die Frage, ob es Zufall ist, dass Premierminister Di Rupo ausgerechnet am Tag des letzten Belgien-Spiels seine Rede zur Lage der Nation hält. Die wäre nämlich eigentlich am letzten Dienstag vorgesehen gewesen. Aber, so ist das Drehbuch eigentlich schöner: Erstmal hält man eine Lobrede auf die Leistungen der Regierung - nicht ganz zu Unrecht, muss man zugeben - und dann legt man den Schal an und geht ins Stadion.
Eins ist sicher: Vor diesem Hintergrund könnte das Timing für die Koalitionsparteien kaum besser sein. Am 25. Mai 2014 wird gewählt. Zu diesem Zeitpunkt wird schon alle Welt auf die WM hin fiebern. Ob das allerdings die Wahl beeinflusst, steht in den Sternen. Und der Fußball hat noch keine Haushaltslöcher gestopft ...
Bild: Bruno Fahy (belga)