
Was passiert mit den Kindern, wenn Mama und Papa sich trennen? Die Frage ist alles andere als ein für alle Mal geklärt. Und in den Zeiten der zumindest teilweise wachsenden Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern sehen es Väter manchmal als Diskriminierung an, wenn - klassisch - das Sorgerecht einfach der Mutter zugesprochen wird.
2006 hatte der Gesetzgeber deshalb versucht, für ein bisschen mehr Gleichheit zu sorgen. Wie erfolgreich dieser Versuch war, das zeigt eine Statistik, die an diesem Dienstag in der Zeitung La Libre Belgique veröffentlicht ist.
Aus dieser Statistik kommt ein klarer Trend heraus, der sagt: Ja, seit 2006 kümmern sich tatsächlich mehr Väter als vorher gleichberechtigt nach einer Trennung oder Scheidung um das gemeinsame Kind oder die gemeinsamen Kinder.
Was ist das Wechselmodell?
Es geht hier um das im deutschen so genannte Wechselmodell. Also ein Modell, wo das Kind - wenn ich das mal so ausdrücken darf - zu gleichen Teilen zwischen Mutter und Vater nach einer Scheidung aufgeteilt wird. Sprich: Die Hälfte der Zeit verbringt das Kind bei der Mutter, die andere Hälfte der Zeit beim Vater.
Dieses Modell wollte der Gesetzgeber in Belgien 2006 fördern. Das Gesetz, das damals in Kraft getreten ist, sagt aus: Wenn sich die Eltern bei einer Trennung nicht selbst einigen können, bei wem das Kind künftig wohnen soll, soll der Richter so oft wie möglich das Wechselmodell verordnen. Also sagen: 50 Prozent der Zeit wohnt das Kind beim Vater, 50 Prozent bei der Mutter.
Auf der einen Seite hat sich die Zahl der Wechselmodelle in Belgien tatsächlich verdoppelt, seitdem das Gesetz in Kraft getreten ist. Die Vergleichsjahre sind hier 2004 - zwei Jahre vor dem Gesetz - und 2010. Innerhalb dieser sechs Jahre hat sich die Zahl verdoppelt.
Aber das Gesetz wollte ja vor allem erreichen, dass gerade Richter öfter auf das Wechselmodell zurückgreifen. Und da erkennt man nur einen Anstieg der Zahlen in dem ersten Jahr nach dem neuen Gesetz. Seit 2007 bleiben die Richtersprüche konstant gleich. Und in Prozenten ausgedrückt ist das gar nicht mal so viel, nämlich nur in knapp 13 Prozent der Fällen.
Insgesamt wird das Wechselmodell heute aber von gut 20 Prozent der Paare angewendet, die sich trennen und Kinder haben. Hier nimmt die Zahl auch über die Jahre weiter zu, so dass man schlussfolgern kann: Das Gesetz hat einmal für einen Schub gesorgt, die Richtersprüche haben einmal zugenommen, bleiben aber danach gleich viel.
Die Entwicklung findet eher bei den freiwilligen Entscheidungen der Eltern statt. Die sagen sich heute wohl immer häufiger von sich aus: Nach einer Trennung wollen wir uns beide gleichberechtigt weiter um unser Kind kümmern.
Vorsicht bei Wechselmodell
Spezialisten - also zum Beispiel Psychologen und und Juristen - raten zur Vorsicht. Das Wechselmodell ist nicht immer das Beste für das Kind. Und es gibt verschiedene Arten, wie man das in der Praxis leben kann: Eine Woche bei der Mutter, eine Woche beim Vater wird zum Beispiel als ein sinnvoller Wechsel-Rhythmus gesehen. Kaum sinnvoll hingegen ist, wenn das Kind alle zwei oder drei Tage die Wohnung wechselt. Denn da stellt sich so etwas wie Alltag weder mit dem Vater, noch mit der Mutter ein.
In der Regel gilt aber eher das "klassische" Modell: Meistens sieht es nach einer Trennung noch so aus, dass das Kind bei der Mutter lebt, und jedes zweite Wochenende beim Vater verbringt. Darauf einigen sich knapp 38 Prozent der Paare selbst, und wenn ein Richter die Entscheidung treffen muss, legen sie diese Aufteilung fast genauso häufig fest.
Von einer richtigen Gleichberechtigung der Väter kann man also weiterhin nicht sprechen, wenn es zur Trennung und der Frage nach der Kinderbetreuung kommt: Laut der Statistik, die am Dienstag in La Libre Belgique steht, gilt das jedenfalls. Aufgestellt hat diese Statistik übrigens die "Ligue bruxelloise pour la santé mentale" und die stützt sich dabei auf Urteile von Scheidungsrichtern aus Brüssel und Charleroi. Könnte also sein, dass in der DG die Verhältnisse schon etwas anders aussehen.
Archivbild: istockphoto
"... Wochenende beim Vater - darauf einigen sich knapp 38 Prozent der Paare selbst." So sah es auf dem Papier auch bei mir aus. Tatsächlich habe ich mich gegen diese Regelung gewehrt, weil ich vor meinem Auszug nachmittags die Kinder betreut und nachts & am Wochenende gearbeitet habe. Ergebnis: Ich konnte nur noch jedes 2. Wochenende 60-Stdn.-Bereitschaftsdienste leisten, mein Einkommen sank um 600€ & damit der Ehegatten-Unterhalt um 50% und die Kindesmutter konnte nachmittags keiner Teilzeit-Beschäftigung mehr nachgehen. Richter und Anwälte erpressten trotzdem diese Regelung - gegen die Staatsmacht der Kindeswohl-Täter hat Mann keine Chance.
Im Familienrecht gibt es für die Männer einen gewaltigen Nachholbedarf in Sachen Gleichberechtigung und Gleichstellung.
@ dr. Andreas Hübner,
ja, es stimmt, es gibt Nachholbedarf für die Männer in Sachen Scheidungskinder, doch ich vermute, dass ich den vielleicht etwas anders sehe als Sie.
Bisher war doch fast immer die Regel: Die Kinder bleiben bei der Mutter und der Vater zahlt den finanziellen Ausgleich. Tatsache dabei ist aber - auch fast immer - , dass der Vater einer Vollbeschäftigung ohne Kinder "last"nachgehen konnte während die Mutter nicht selten aus Kinderbetreuungsgründen nur Teilzeit beschäftigt werden konnte. Somit hat sie weniger Einkünfte und auch das gezahlte Geld des Vaters ist nicht selten ungenügend . Hinzu kommt noch, dass nicht wenige Männer sich der Alimentenzahlung erfolgreich entziehen.
Persönlich habe ich mal eine Diplom-Arbeit geschrieben, mit dem Titel: Alleinstehende Frauen in Not. Ich weiss also, wovon ich "rede"
Bei uns ist das Gefahr, dass mein Sohn erkranken wird durch diese Regelung. Bei einer Anhörung des Kindes hat es deutlich gesagt, er will bei seinem Papa leben. Das Gericht hat dagegen entschieden, dass er bei der Mutter bleiben soll. Mein Sohn, der erst 5 wird ist inzwischen 2 mal von dort weg gelaufen. Aufgrund der Geschwisterbindung, wäre ein Wechselmodell für meinen Sohn das beste. Nur die Mutter stellt sich dagegen, eben deswegen, dass sie die finanziellen Vorteile nicht verliert.