Wenngleich die Regierung damit dem Wunsch vieler Gemeindeväter nachkommt, so wirft die Maßnahme dennoch Fragen auf.
Eine Revolution frisst ihre Kinder. "Es ist verboten, zu verbieten", das war ein Leitmotiv der 68er-Revolte in Paris. Heute sind die 68er im Rentenalter - und ihre Ideale Lichtjahre entfernt.
Das selbst in Belgien, dem Land, dem das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" noch vor einigen Jahren allgemein herrschenden, "kleinbürgerlichen Anarchismus" bescheinigt hatte. Statt zugegebenermaßen mitunter falsch verstandener Liberalität, jetzt: systematische Verbieteritis. In manchen Gemeinden wäre es leichter, aufzuzählen, was denn noch erlaubt ist. Das gilt etwa für Hasselt. In der Polizeizone "HaZoDi" hat man wohl alle Eventualitäten durchgespielt. Verboten ist zum Beispiel das Zweckentfremden einer Telefonzelle -was auch immer der Autor des Paragraphen da wohl vor Augen hatte. Verboten ist auch, beim Karnevalsumzug Konfetti zu werfen, das vom Boden aufgehoben wurde. Und Sportler sollten sich bitte an die "allgemein geltenden Kleidervorschriften" halten -wie auch immer die aussehen sollen. Es fehlte noch, dass man Männern im Öffentlichen Raum das Tragen von langen Haaren verbietet.
Da kann einem doch irgendwie mulmig werden. Der Fantasie irgendwelcher überpeniblen Gemeindeväter sind offensichtlich keine Grenzen gesetzt.
Da liegt das Problem
Prinzipiell ist es bestimmt richtig, dass man den Gemeinden die Möglichkeit gegeben hat, kleine Delikte zu ahnden, gegen eben jene Ärgernisse vorzugehen, die den Alltag vieler Bürger tagtäglich vergiften. Jene Ordnungswidrigkeiten also, die es nie vor ein Gericht schaffen würden. Die blieben nämlich genau deswegen meistens ungeahndet. Die daraus resultierende allgemeine Anarchie -im pejorativen Sinne des Wortes- war wie ein Geschwür, das die Gesellschaft langsam aber sicher zerfressen hat. Und das wiederum daraus resultierende Unsicherheitsgefühl ist Wasser auf den Mühlen nicht nur von erstbesten Populisten; das haben auch die linken Parteien inzwischen einsehen müssen.
Doch ist man stellenweise von einem Extrem ins andere geschlittert. Die Väter und Mütter des Gesetzes hatten wohl vor allem Delikte wie Vandalismus vor Augen. Oder systematische Lärmbelästigung. Oder ausgelassene Trinkgelage auf öffentlichen Plätzen mit dem dazugehörigen Müllberg. Jedenfalls bestimmt nicht "Verbrechen" wie das Sitzen auf der Lehne einer Parkbank, die Füße auf der Sitzfläche. Klar kann das mitunter ärgerlich sein. Wenn die Polizeizone Hasselt das aber gleich mit einer Geldbuße von 250 Euro ahndet, dann ist das doch mit Kanonen auf Spatzen geschossen.
Und bald werden das 350 Euro sein. Die Geldbußen wurden noch einmal erhöht, die Liste der Delikte, die geahndet werden können, verlängert, das Mindestalter für eine Bestrafung von 16 auf 14 Jahre gesenkt.
Zeitpunkt und Ansatz dieser Maßnahme bedenklich
Dass die Erweiterung des Systems der kommunalen Ordnungsstrafen ausgerechnet jetzt erfolgt, ist alles, nur kein Zufall. In knapp einer Woche sind Kommunalwahlen. Auf beiden Seiten der Sprachgrenze sind Themen wie Ordnung und Sicherheit ganz oben auf der Liste der Wahlkampf-Dauerbrenner. Da wollten sich die föderalen Mehrheitsparteien wohl noch mal kurz profilieren. Allein dieser Verdacht ist schon desaströs. Gerade in Belgien scheint der Gesetzgeber nur noch "ad hoc" zu funktionieren: Entweder, wenn sich gerade eine Katastrophe ereignet hat, und man mal wieder "schnell, schnell" reagieren muss, um längst bekannte Missstände auszumerzen. Oder eben, wenn gerade eine Wahl ansteht. In beiden Fällen droht die Gefahr, überemotional ans Werk zu gehen. Resultat sind dann oft halbgare Gesetze, die die Situation meist nur verschlimmbessern.
Das zeigt sich auch im Fall der kommunalen Ordnungsstrafen. Denn, zweiter Kritikpunkt: der Ansatz ist falsch. Mal ganz davon abgesehen, dass es auch noch ein Justizwesen gibt, das immer noch "DER" Garant für eine unabhängige Ahndung von Straftaten ist... Bevor man die -man muss es nennen, wie es ist- die "Macht" Gemeinden vergrößert, hätte man sich zunächst dem Flickenteppich der verschiedenen Normen annehmen sollen. Konkret: Es fehlt ein Rechtsrahmen, der in allen Gemeinden ein zumindest halbwegs kohärentes Vorgehen garantieren würde. Im Augenblick ist es absolut denkbar, dass ein gewisses Verhalten in der einen Polizeizone erlaubt, und dasselbe quasi hundert Meter weiter verboten ist. Hier wäre es sinnvoll gewesen, Leitplanken zu setzen.
Außerdem fehlt ein Mindestmaß an Sicherheitsriegeln: Bürgermeister können buchstäblich zu Sheriffs nach amerikanischem Vorbild mutieren, die in ihrem Zuständigkeitsbereich ein fast schon autoritäres Regime einrichten.
Ab wann ist ein Verhalten "störend", wer entscheidet das? Der Grat ist schmal. Wenn jemand mit einem großen Transparent gegen die Politik der Gemeindeväter protestiert, dann kann das zumindest theoretisch schon als "Ordnungswidrigkeit" geahndet werden. Dabei ist hier auch das Recht auf freie Meinungsäußerung im Spiel. Gemeindeväter werden hier schnell zu "Richter und Partei".
Und wenn am Ende Kleiderordnungen festgelegt oder Aufenthaltsverbote für gewisse Plätze ausgesprochen werden können, dann sind Grenzen erreicht. Hier geht es um nicht mehr und nicht weniger als die persönlichen Freiheiten eines Jeden. Der Mainstream darf nicht zum Hort der alleinigen Wahrheit, Konformismus darf nicht zum Dogma werden. Zwischen der Inneren Sicherheit und der Wahrung der Grundrechte: die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte...
Kindern und Jugendlichen müssen Grenzen aufgezeigt werden, wenn die Eltern & die Schule das nicht zustande bringen, bleibt kaum was Anderes übrig als die nächsthöhere Instanz, wurden in den 50ern, in den 60ern, in den 70ern Bushäuschen mutwillig zerstört, wurden überall Graffitis aufgesprüht. Respekt ist etwas das einem anerzogen werden muss, und da bedarf es ab und an einer starken Hand, heutzutage ist derartiges verpönt, altbacken und aus der Mode. Après nous les mouches, nach uns die Sintflut...
Komische Denkweise.
na, na Herr Margraff!
natürlich müssen allgemeine Grenzen in der Gesellschaft eingehalten werden. Aber eine Gesellschaft ist von Allen, egal ob man nun pubertierender 14-jährige(r) oder aber frustrierter Alt-'68er ist. Der einzige Unterschied ist, dass die Einen die politische Macht innehaben (und so diese Grenzen festlegen) und die Anderen garnicht erst mitreden dürfen!
Das höchste Gut, dass unserer Demokratie zu Grunde liegt, sind die Rechte und Grundfreiheiten des Einzelnen. Da darf nur dann eingegriffen werden, wenn diese die des anderen unnötig einschränken, beispielsweise bei Sachbeschädigung oder Körperverletzung. So find ich es alles andere als normal, dass in einigen Gemeinden (nicht in der DG aber anderswo in Europa) "Mosquitos" aufgehangen werden dürfen, die ein enorm irritantes Geräusch aussenden, dass man nur bis zu einem bestimmten Alter hören kann (aufgrund der Frequenz); Dadurch soll dann der öffentliche Raum von Kindern und Jugendlichen "gesäubert" werden, nur weil diese "stören" oder "unproduktiv und rebellisch" sind. Sie sehen hier ist die Argumentation ähnlich wie bei der belgischen Verbieteritis. Gleichschaltung und Unterdrückung des Anderen/Andersdenkenden haben wir in unserer Geschichte sicherlich genug erfahren, den Fehler sollten wir sicherlich nicht nochmals machen!
Unsere Gesellschaft ist von jederman. Der ein oder andere (nicht nur) Jugendliche findet Heimatfilme, Geweihe an der Wand, Volksmusik oder den Verkehr aufhaltende Senioren am Steuer auch zum K****. Laufen wir darum zum Gesetzgeber und fordern deren Verbot? Nein! und warum nicht? Weil wir Sie in ihrer "Andersartigkeit" respektieren. Respekt, Herr Margraff, muss man sich aber verdienen! Was sie meinen, ist Unterwürfigkeit dem Alter/Autoritäten gegenüber. Führen wir ihren Gedankengang zu Ende, würden die 250€ Bußgeld dann auch nicht mehr durch den "Verbrecher" bezahlt werden, sondern wieder in Form von "Naturalien" durch den Staat ausgezahlt, durch Peitschen- oder Stockhiebe.
Ihre (?) Generation hat uns gelehrt für das einzutreten wofür man glaubt. Will man die Zeit derart zurückdrehen, so verleugnet man nicht nur sich selber sondern auch das wofür eine ganze Generation damals rebellierte.
Ganz ihrer Meinung Herr Margraff!
Der Respekt gegenüber den Eltern, den Schwächeren in der Gesellschaft, den Senioren ist in den meisten Fällen mit der Moral verlorengegangen.
Wenn wir uns als gläubige Christen an die 10 Gebote halten würden bräuchten wir keine neuen Gesetze mehr!
Oh Herr Pint, der Beitrag war mehr als schlecht! Macht man etwas, ist es nicht gut, macht man nichts, ist es auch nicht gut. Natürlich muss jeder Beschluss immer noch durch den Gemeinderat, also werden die Strafen mit Sicherheit den jeweiligen Vergehen angepasst und demokratisch verabschiedet sein, worüber regen Sie sich also auf?
Meiner Meinung nach ist dieser Beschluss ein Schritt in die richtige Richtung! Je nach Kommune sind die Probleme der öffentlichen Ordnung unterschiedlich und deshalb ist es auch logisch, dass jede Kommune sein Strafmaß selbst festsetzen kann um der jeweiligen Situation Herr zu werden. Wir reden hier ja auch nur von Ordnungswidrigkeiten, nicht von alles Gesetzen.