Es ist wahrscheinlich das Schlimmste, was Eltern widerfahren kann im Leben: ein Kind zu verlieren.
Aber das Furchtbare ist zumeist weit weg. Es geschieht fast immer anderen und anderswo. Je näher der Katastrophenort, je näher die Menschen, die davon betroffen sind, desto größer sind Mitgefühl und Trauer.
In diesem Fall ist alles nah bis sehr nah: der Kanton Wallis in der Schweiz, in dem das Unglück geschah, die Menschen, die dort starben, aus Lommel und Héverlée und aus den Niederlanden, überwiegend Kinder, Elf- und Zwölfjährige. Belgische und holländische Kinder - fast aus unserer Nachbarschaft.
Das - noch - unerklärliche und ungeklärte Geschehen im Tunnel von Siders lässt viele in unserem Land und darüber hinaus in sprachloser, trostloser Fassungslosigkeit zurück. Der heutige Tag der Staatstrauer ist deshalb wohlgesetzt - nahezu flächendeckend waren Beteiligung und Anteilnahme. Kaum eine Institution im Land, die nicht in irgendeiner Weise dem Aufruf zur Schweigeminute gefolgt wäre.
Innehalten für einen Tag, für einen Moment. Viele Medien haben ihr Programmangebot umgestellt, angepasst. Auch wir beim BRF. Gleichwohl: Es wird weiter berichtet. Selbstverständlich über die Tragödie, die Ursachenforschung, die Reaktionen, aber auch über anderes: über Afghanistan und Syrien, über Sparmaßnahmen und Neuwahlen, über Konzerte oder Modenschauen, über Siege und Niederlagen. So ist es - das Leben: schrecklich und schön, grauenvoll und wunderbar.
Wer mit Empathie ausgestattet ist, muss auch leiden an dieser Welt und an diesem Leben. Und es ist nur natürlich, dass die eigene Welt, die Familie, der Freundeskreis, das eigene Dorf, die eigene Stadt, das eigene Land das Mitfühlen befördern. Man ist geneigt, seiner Trauer Ausdruck zu geben. Das wiederum tut gut, nicht nur uns selbst, sondern auch den Hinterbliebenen, denen oft schlichte Präsenz wichtiger ist als gutgemeinte Worte. Die zurückgebliebenen Eltern, Großeltern, Verwandte, Freunde erfahren auf diese Weise auch so etwas wie Solidarität.
Und es ist gut, dass bei aller Trauer und Verzweiflung nach den Gründen für dieses Unglück gesucht wird. Erfahrungsgemäß hilft Aufklärung bei der Traumabewältigung mehr als Verdrängung. Was unterdessen gar nicht geht, sind die zahllosen Verdächtigungen und Spekulationen rund um diese Tragödie. Was nicht geht, ist die spektakuläre Aufbereitung von Mutmaßungen und Unterstellungen in so manchem Medium, das sozusagen mit dem nächsten Atemzug das Requiem spielt.
Halten wir inne und weinen wir nicht nur über den schweren Schicksalsschlag, der diesmal Menschen in unserem Land getroffen hat. Und dennoch hat es nichts mit Hartherzigkeit zu tun, wenn wir mit Freuden weiterleben: auch wegen unserer Kinder, für uns und für sie.
Rudi Schroeder - Bild: Bruno Fahy (belga)
Ich wünsche den Angehörigen Trost, Kraft und Liebe. Die ganze Landestraueraktion und der Medienhype hingegen erscheinen mir aufgesetzt und künstlich. Ein schlimmer Unfall, der auf einen Schlag in etwa den Verkehrs-Blutzoll einer Woche fordert, - und auf einmal sieht man Tausende in Tränen aufgelöst, die die Opfer und ihre Familien gar nicht kennen. Ist das Mitgefühl oder eher Projektion eigener Ängste und Traumata? Kennt man die Zahl der schwer leidenden Kinder und Jugendlichen in Hospizen und Krankenhäusern, dann müssten eigentlich unentwegt Menschen mit Teddybären, Blumen und Kerzen auf den Straßen umherlaufen, um ihre Solidarität und ihr Mitgefühl zu zeigen. Der medial induzierten Großtrauer traue ich nicht. Wir sollten uns täglich aufmerksamer und liebevoller begegnen.
Herr Eckehardt von Doelm,
Sie haben Recht, jedes Kind, egal wie es stirbt, durch Krankheit, Krieg, Missbrauch oder durch einen Verkehrsunfall ist ein Kind zu viel!
Und weshalb auf einmal Tausende in Tränen aufgelöst sind, weil so viele Kinder in einem Augenblick sterben mussten. Ich denke, dass ist es, was die Eltern, und uns so leiden und verbittern lässt.....
"Jeder Mensch hat seine ihm eigene Sensibilität angesichts einer so schmerzlichen Tragödie."
Während die Glocken unseres Gotteshauses vernehmbar waren, habe ich zu Hause in Stille vor dem Zimmerkreuz bei einer brennenden Kerze aller Opfer und deren trauernden Angehörigen, sowie der vielen selbstlosen Helfer gedacht und ALLE in mein Gebet eingeschlossen.
Ich bin mir sicher, dass viele Menschen gleichermaßen reagiert haben.
Das Innehalten für einen Moment ehrlichen Mitfühlens mit den leidgeprüften Familien während der wohl schwersten Stunden und Tage ihres Lebens, lässt einen die Realität des tragischen Ereignisses besser verarbeiten.
Meine Gedanken werden wohl noch eine Weile bei diesen Mitmenschen verweilen, denen
ich wünsche, dass mit der Zeit das LICHT der dankbaren, schönen gemeinsamen Erinnerungen mit ihren lieben Verstorbenen stärker sein möge als die DUNKELKEIT der Trauer.
Mit aufrichtigem Mitgefühl
Stephan Bodarwé, Amel