Doch gab es in diesen Tagen eine Meldung, die fast untergegangen wäre: "Neue Hausdurchsuchungen im Zusammenhang mit der Killerbande von Brabant", hieß es da.
Inzwischen ist auch durchgesickert, welche Spur die Ermittler da verfolgt haben: Anscheinend prüft man erneut einen möglichen Zusammenhang zwischen der Bande und den Umtrieben einer rechtsextremistischen Vereinigung. Die Geschichte erinnert irgendwie - zumindest ansatzweise - an den Skandal in Deutschland um den rechtsextremistischen NSU.
WNP. Westland New Post. Der Name steht für einen Riesenskandal, der das Land in den 1980er Jahren erschütterte.
In den 1970ern hatte sich in belgischen gewissen Studenten-Milieus eine aktive rechtsextreme Szene gebildet. Die jungen Leute schlossen sich später unter anderem zum "Front de la jeunesse zusammen", einer ausgewiesenen Rechtsextremen-Miliz. Der Front de la jeunesse wurde Anfang der 1980er verboten, auch, nachdem einer seiner Mitglieder in Brüssel einen rassistisch motivierten Mordanschlag verübt hatte.
Noch extremere Organisation
Innerhalb des Front de la jeunesse hatte sich seinerzeit aber längst eine noch extremere Organisation gebildet. Der Westland Nationalsozialistische Ordnung, WNSO, später umbenannt in Westland New Post. Treibende Kraft war der Ideologe Paul Latinus. Latinus wurde später erhängt aufgefunden in der Wohnung seiner Freundin. Die Ermittlungsbehörden urteilten auf Selbstmord.
Der Westland New Post betrachtete sich als Speerspitze im Kampf gegen die kommunistische Gefahr. In der Hochzeit des Kalten Krieges gab es ja eine ganze Reihe von Netzwerken, teilweise Schläfer, die erst bei einer möglichen Eroberung durch die Sowjets aktiv werden sollten. Man spricht hier von stay-behind-Organisationen. Der WNP wollte aber nicht auf eine Besetzung durch die Roten warten: Die Organisation betrachtete sich als Terrorgruppe, die sofort den Kampf mit dem Feind aufnehmen wollte. Zum klassischen Instrumentarium gehört da die "Strategie der Spannung": Eine Grundstimmung in der Bevölkerung soll erzeugt werden, die Menschen sollen verunsichert werden, etwa, um den Boden zu bereiten für ein repressiveres oder gar totalitäres Regime.
Enttarnung 1983
Der WNP wird 1983 enttarnt. Was im Fahrwasser der Ermittlungen bekannt wird, ist starker Tobback. Es stellt sich heraus, dass die Organisation eine Zeitlang unterwandert worden war: von einem Kommissar der Sûrete de l'Etat, des Inlandsgeheimdienstes. Besagter Kommissar, das war Christan Smets. Smets soll Mitgliedern des WNP, als er noch als verdeckter Ermittler infiltriert war, sogar Kurse gegeben haben.
Es kommt aber noch dicker: die Grenzen zwischen der Sûrete und dem WNP sind anscheinend zwischenzeitlich verschwommen: Die Rechts-Terroristen waren nämlich in kleinen Zellen organisiert, jede Gruppe kannte nur einzelne Verbindungsleute, von den anderen Gesinnungsgenossen wusste man nichts. Und einige dieser WNP-Aktivisten waren anscheinend in dem Glauben, für die Sûrete zu arbeiten.
1983: das war auch der Beginn der ersten Terrorwelle der Killerbande von Brabant in belgischen Supermärkten. Eine zweite, noch viel brutalere folgte 1985. Insgesamt tötete die Killerbande von Brabant 28 Menschen, dutzende weitere wurden verletzt. Auffälligkeiten: Die Bande ging nach Manier von Kommando-Einheiten vor, zudem äußerst brutal und ganz offensichtlich nicht unbedingt auf Geld aus. Kein Wunder also, dass so mancher an eine belgische Spielart der Strategie der Spannung glaubte, an einen Destabilisierungsversuch. Ganz oben auf der - zugegebenermaßen langen - Liste der potentiellen Drahtzieher war denn auch einen Moment lang der WNP. Die Verstrickungen mit der Sûreté befeuerten noch zusätzlich die Spekulationen.
Spur galt als begraben
Lange Zeit galt diese Spur als begraben. Bis vor einigen Tagen bekannt wurde, dass die SOKO, die immer noch nach den Killern von Brabant sucht, unlängst eine Reihe von Hausdurchsuchungen durchgeführt hat. 21 an der Zahl. Im Fadenkreuz: die alte Westland New Post- Connection. Und auch zwei ehemalige hohe Verantwortliche der Sûreté bekamen Besuch von den Ermittler: der ehemalige Chef des Inlandsgeheimdienstes, Albert Raes und besagter Ex-Kommissar Christan Smets, der Anfang der 1980er als verdeckter Ermittler im WNP aktiv war. Der Vorwurf, er sei nicht infiltriert sondern vielmehr effektives Mitglied gewesen, wurde später von einem Gericht als gegenstandslos beurteilt.
Er verstehe die Welt nicht mehr, sagte Smets denn auch in der RTBF. Ein Magistrat habe ihm gesagt, das man die Sûreté-Spur nicht mehr verfolge. Also, entweder, es gibt da neue Erkenntnisse; er wisse davon nichts; oder, das Ganze sei heiße Luft.
Neue Erkenntnisse, genau davon spricht aber der zuständige Prokurator des Königs von Charleroi, Christian de Valkeneer. Die Spur an sich sei zwar nicht neu, sagte De Valkeneer, man habe sich aber noch einmal die Indizienlage angeschaut, und zwar diesmal aus einem anderen Blickwinkel.
Eine Botschaft dürfte wohl auch die sein, dass man die Akte eben noch nicht beerdigt hat. Vor einigen Monaten war ja auch noch einmal ein Teilstück des Kanals Brüssel-Charleroi durchsucht worden, wo man 1986 die Visitenkarte der Killer fand: unter anderem Waffen und Teile der Beute aus den verschiedenen Mordzügen der Bande. Die Ermittler der SOKO von Jumet müssen Gas geben: Nach dem derzeitigen Stand der Dinge sind die Verbrechen im November 2015 verjährt. Wir geben die Hoffnung nicht auf, sagt Prokurator Christian de Valkeneer.
Archivbild: belga
Es ist mir unverständlich wie ein Mord als Tat verjähren kann. In diesem Punkt sollte ein Verjährung verboten sein, schliesslich erwacht das Opfer auch nicht nach 30 Jahren.