Wenn man will, dann war Bart De Wever am Freitagabend der große Sieger nach dem EU-Gipfel. Er hatte sich durchgesetzt: Die russischen Vermögenswerte bleiben unangetastet, stattdessen nehmen die EU-Länder gemeinsam einen Kredit auf, um die Ukraine zu finanzieren. Mit dieser Meinung stand De Wever sehr lange sehr allein da.
Dass er am Ende doch seine Position durchdrücken konnte, das kann man also durchaus als einen Sieg betrachten. Er selbst übte sich aber schon am Gipfelabend in Bescheidenheit. Nicht er, sondern Europa habe gewonnen. Und auf jeden Fall auch die finanzielle Stabilität.
In gewissen Ohren klang das da schon wie Schadensbegrenzung. Nach dem Motto: De Wever will sich jetzt nicht allzu sehr in seinem Erfolg suhlen, sondern er denkt an diejenigen, die da den Kürzeren gezogen haben. Denn, wenn man an diesem Gipfelabend von "Verlierern" sprechen wollte, dann fielen meist sofort die Namen Friedrich Merz und Ursula von der Leyen.
Denn beide, der deutsche Bundeskanzler und die EU-Kommissionsvorsitzende, bevorzugten ganz klar die Option, bei der die russischen Vermögenswerte angebohrt werden sollten. "Es gibt keine bessere Option", hatte Merz noch wenige Stunden zuvor erklärt. Und auch von der Leyen hatte sich klar und deutlich hinter diese Alternative gestellt.
De Wever hat also Deutschland und die EU-Kommission regelrecht ausgestochen. "Wenn sich das nicht mal rächt", unkten aber schon am Freitagabend einige Beobachter. Und auch Außenminister Maxime Prévot wollte diese Gefahr nicht kleinreden. "Klar kann es sein, dass wir dafür noch einen Preis zahlen müssen", sagte Prévot in der VRT. "Vielleicht wird uns das noch Probleme bescheren."
"Einen politischen Preis zahlen", die Frage ist, was man darunter verstehen muss. Also er glaube nicht, dass Deutschland oder die EU-Kommission richtiggehend "Rache üben" werden, sagte in der VRT Steven Van Hecke, Professor für Politikwissenschaften an der Uni Löwen. "Aber, wenn Belgien irgendwann man in eine schwierige Lage geraten sollte, dann muss man vielleicht auch nicht mit Geschenken rechnen."
"Das ist doch eine Calimero-Einstellung", hält Robert van de Roer dagegen. Der Niederländer ist Experte für diplomatische Beziehungen und wohnt schon seit 30 Jahren in Belgien. Man sollte sich doch nicht immer kleiner machen, als man ist, sagte van de Roer in der VRT. Das erinnere ihn an belgische Fußballer oder Trainer, die vor einem Spiel gegen eine große Mannschaft konsequent zum Gegner aufblicken. "Lasst das doch endlich sein", sagt van de Roer.
Denn, so fügt der Experte hinzu: Man dürfe auch nicht vergessen, dass De Wevers Ansehen auch auf dem europäischen Parkett spätestens am vergangenen Freitag doch erheblich gewachsen sei. Er habe die Partner beeindruckt durch seine konsequente und wohl argumentierte Haltung.
"Aber, gut, es wäre vielleicht nicht schlecht, wenn die belgische Diplomatie doch sicherheitshalber mal hinter den Kulissen die Lage sondiert, also schaut, ob in Berlin nicht doch Porzellan zerdeppert wurde", empfiehlt van de Roer. "Gegebenenfalls könnte man dann ja kurzfristig ein Treffen zwischen Merz und De Wever anberaumen, bei dem dann beide vor den Kameras den Schulterschluss üben können."
Außenminister Prévot hofft seinerseits, dass man irgendwann auch die Seite umblättern kann. So nach dem Motto: "OK, das war wohl nicht für alle Beteiligten der schönste Gipfelabend. Aber immerhin haben wir am Ende eine gemeinsame Lösung gefunden."
Roger Pint