Wenn ein Kind, das jünger als ein Jahr ist, plötzlich und unerwartet stirbt, oft im Schlaf, wird eine Untersuchung der Todesumstände erforderlich. Weil längst nicht immer handelt es sich dabei um "plötzlichen Kindstod" im eigentlichen Sinn. Um "plötzlichen Kindstod", auch als "Säuglingstod" oder "Krippentod" bekannt, handelt es sich nämlich nur dann, wenn auch nach gründlichem Nachforschen keine Todesursache festgestellt werden kann. In nicht wenigen Fällen stellt sich das, was zunächst nach "plötzlichem Kindstod" aussah, mittlerweile aber als wissenschaftlich erklärbar heraus.
Nationale Zahlen über den unerwarteten Tod von Kleinkindern während des Schlafs gibt es zwar nicht, aber die Daten des Forensischen Instituts des Universitätskrankenhauses Löwen geben zumindest eine Idee vom Ausmaß des Phänomens: Allein in diesem Jahr und nur in den Provinzen Limburg und Flämisch-Brabant sind demnach schon mindestens neun Babys unerwartet im Schlaf gestorben, wie Institutschef Wouter Van Den Bogaert der VRT erklärt. Das sei eine Zunahme. Das bestätigt auch die Ärztin Maaike Deschoemaeker, die das flämische Zentrum für Kleinkindbetreuung, "Kind en Gezin", als Expertin berät. In der internationalen Fachliteratur könne man bereits seit einigen Jahren nachverfolgen, dass die Zahl der unerwarteten Todesfälle im Schlaf zunehme.
Eine beunruhigende Entwicklung, denn das Phänomen plötzlicher Kindstod ist nicht neu. Deswegen hatte zum Beispiel "Kind en Gezin" schon in den 1990er Jahren eine breite Sensibilisierungskampagne zum Thema geführt. Die führte dann auch zu einem starken Rückgang der Todesfälle. Aktuell geht der Trend aber wieder in die falsche Richtung. Glücklicherweise gebe es inzwischen nur noch wenige solche Todesfälle. Aber das könne bei Eltern den Eindruck erwecken, dass das Problem der Vergangenheit angehöre. Das sei definitiv nicht der Fall. Deshalb sei es auch wieder nötig, die Bevölkerung zu sensibilisieren.
Ganz wichtig ist dabei die Botschaft, dass manche dieser Dramen absolut vermeidbar wären, wie Wouter Van Den Bogaert hervorhebt. In einem von vier Fällen sei der Tod auf eine unsichere Schlafumgebung zurückzuführen. Eine besonders tragische Erkenntnis: Von den neun in diesem Jahr in seinem Institut untersuchten unerwarteten Säuglingstoden seien schon drei darauf zurückgeführt worden, dass ein Elternteil sich während des Schlafs versehentlich auf das Kind gedreht und es so erstickt habe.
Grundlegende Sicherheitsmaßnahmen sind im wahrsten Sinne des Wortes überlebenswichtig. Deswegen hat "Kind en Gezin" die wichtigsten zu fünf einfachen Regeln zusammengefasst: Erstens: Das Baby zum Schlafen immer auf den Rücken legen. Zweitens: ein stabiles und sicheres Kinderbettchen, am besten nur mit einer gut passenden Matratze und einem Schlafsack, keine unnötigen und potenziell gefährlichen Gegenstände wie Kuscheltiere und Ähnliches. Drittens: Immer in der Nähe bleiben, das Kinderbettchen sollte zumindest im ersten halben Jahr auch im Zimmer der Eltern stehen. Auch tagsüber nicht weit entfernen von den schlafenden Kleinkindern. Viertens: Ungewohnte Schlafumgebungen sind Stress für Babys. Ausreichend Zeit und Ruhe geben, um sich daran zu gewöhnen. Und schließlich fünftens: für eine gesunde und rauchfreie Umgebung sorgen. Das beinhaltet auch eine gute Belüftung der Räumlichkeiten, damit es nicht zu warm wird für die Babys. Auch von Mützchen und zusätzlichen Decken wird explizit abgeraten, empfohlen wird, nur einen Schlafsack zu nutzen.
Auch ganz wichtig: Sich nicht vom Internet in die Irre führen lassen, weil was man da bei Fotos schlafender Babys zu sehen bekommt, ist oft absolut verkehrt. Eine Studie aus den Niederlanden habe gezeigt, dass von allen untersuchten Online-Bildern von schlafenden Babys nur zwei Prozent den Richtlinien für sicheres Schlafen entsprechen würden, so Nele Wauters von "Kind en Gezin". Bei 98 Prozent der Bilder sehe man zum Beispiel auf dem Bauch schlafende Babys und Kinder mit Mützchen, Deckchen oder Kuscheltieren. Das entspreche nicht den Empfehlungen für eine sichere Schlafumgebung.
Boris Schmidt