Es ist ein Gespenst aus der Vergangenheit. CCC, ein Kürzel, das fast schon in Vergessenheit geraten war. CCC stand für "Cellules Communistes Combattantes", wörtlich übersetzt: "Kommunistische Kampfzellen".
Die CCC hatten in den Jahren 1984 und 1985 eine ganze Serie von Terroranschlägen verübt. Gerichtet waren die Attentate - grob zusammengefasst - gegen Wirtschaftsinteressen und Nato-Einrichtungen, oder - in der Sprache der CCC-Terroristen - gegen den Kapitalismus und den vor allem amerikanischen Imperialismus. Die CCC war also so ein bisschen die belgische Version der deutschen "Rote Armee Fraktion" (RAF), der Roten Brigaden in Italien und vor allem der Action Directe in Frankreich. Pierre Carette, der Chef der CCC, war ursprünglich sogar Mitglied der französischen Terrorgruppe.
Über 20 Gewalttaten werden den CCC zugeordnet. Meist waren es Sprengstoffanschläge bzw. Autobomben. Eine davon explodierte am 1. Mai 1985 vor dem Brüsseler Hauptsitz des belgischen Unternehmerverbandes FEB. Dabei wurden zwei Feuerwehrleute getötet. Die Detonation riss einen zwei Meter tiefen Krater in die Straße. Neben den zwei toten Feuerwehrmännern gingen insgesamt 28 Verletzte auf das blutige Konto der CCC. Und das in einer Zeit, in der auch schon die Killerbande von Brabant für Angst und Schrecken sorgte - es waren eben die bleiernen 1980er Jahre…
Der harte Kern der CCC wurde am 16. Dezember 1985 in Namur festgenommen, übrigens in einem Quick-Schnellrestaurant, was auch nicht wirklich zur anti-kapitalistischen Grundhaltung der Gruppe passen wollte. Die vier Terroristen wurden zu lebenslanger Haft verurteilt. Darunter war - neben dem Anführer Pierre Carette - auch Bertrand Sassoye.
Und eben dieser Bertrand Sassoye sorgt nun also wieder für Schlagzeilen. An diesem Donnerstag prangt sogar sein Foto auf einigen Titelseiten der Zeitungen. Sassoye war im Jahr 2000 vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Danach arbeitete er unter anderem hinter dem Tresen einer bekannten Kneipe in der Brüsseler Stadtgemeinde Saint-Gilles, die traditionell als linke Hochburg gilt. Und jetzt wird sein Name plötzlich wieder von den Polizei- und Justizbehörden genannt, und zwar im Zusammenhang mit den gewaltsamen Ausschreitungen vom vergangenen Dienstag am Rande der Gewerkschaftsdemo in Brüssel.
Denn Beobachter sind sich einig, dass sich diese Ausschreitungen irgendwie "anders" anfühlten, irgendwie "neu". Die Gewalt ging aus von Gruppen, die regelrecht "generalstabsmäßig" organisiert waren, geradezu militärisch-taktisch vorbereitet, wie es die Zeitung De Tijd bemerkt. Das setzt also eine Form von Struktur oder Koordination voraus. Und viele Fäden sollen eben bei Bertrand Sassoye zusammenlaufen, heißt es da.
"Naja, einige der Ex-CCC-Leute, die waren nie wirklich weg", sagte in der VRT Paul Ponsaers. Der frühere Journalist und Uni-Professor hat ein Buch geschrieben über die CCC und gilt als Experte für linkradikalen Terrorismus. "Leute wie Carette und vor allem auch Sassoye waren später in diversen Organisationen aktiv und versuchten weiter, Menschen für ihre Ideologie zu gewinnen und zu mobilisieren." Aber ob es da einen Zusammenhang gibt mit den Brüsseler Ausschreitungen, könne er natürlich nicht sagen, und das hoffe er auch nicht.
"So oder so sprechen wir hier nicht von einer großen Organisation", sagt Ponsaers. "Hier geht's um eine Handvoll Leute, die allerdings durchaus radikal eingestellt sind." Er denke da zum Beispiel an die Vereinigung 'Classe Contre Classe', die man auch mit CCC abkürzen kann. "Das zeigt schon, wessen geistiges Kind das ist. Und Sassoye war hier auch selbst aktiv."
68 Jahre alt müsste Bertrand Sassoye jetzt sein, zumindest wenn die Angaben auf seinem damaligen Polizeifoto stimmen. Er hat seiner Ideologie nie abgeschworen. Das allein ist aber keine Straftat. "Dass Leute wie er einen gewissen Einfluss ausüben, quasi als Ideengeber, das kann sein", sagt Ponsaers. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Es stimmt: Die Randalierer vom Dienstag waren straff organisiert. Aber er sei davon überzeugt, dass sie politisch nicht auf einer gemeinsamen Linie sind. Eher im Gegenteil. Diese Leute haben es jedenfalls geschafft, dass eine durchaus stattliche Gewerkschaftskundgebung jetzt diskreditiert werde. Und irgendwie finde er das schade, sagt Paul Ponsaers.
Roger Pint