Einfach den Stecker ziehen oder den Schalter drücken - und schon ist alles aus: Ganz so einfach wie bei einer Lampe, einem Kühlschrank oder einer E-Gitarre geht es nicht, einen Atomreaktor vom Netz zu nehmen - zumal wenn es endgültig sein soll. Denn genau das ist die Besonderheit, wenn der Kernreaktor Tihange 1 vom Netz geht. "Den Reaktor zu stoppen, haben wir schon oft gemacht", berichtet Vincent Massaut im Radio der RTBF.
Thiange 1 sei regelmäßig heruntergefahren worden, sagt der Berater für Fragen rund um Kernenergie und ehemalige Vize-Direktor des Nuklearforschungszentrums in Mol. Immer dann nämlich, wenn zum Beispiel die Brennelemente ausgetauscht werden mussten, Wartungsarbeiten anstanden oder ein Zwischenfall die Abschaltung des Reaktors erforderte. Danach ging der Reaktor mit neuem Schwung immer wieder ans Netz. "Der einzige Unterschied jetzt ist, dass es heute normalerweise ein endgültiger Stopp sei und man den Reaktor nicht später wieder hochfahren wird", sagt Massaut.
Einen Reaktor müsse man sich im Grunde wie einen Schnellkochtopf vorstellen. Gefüllt ist er mit Wasser, im Wasser befinden sich die Brennstäbe. Schaltet man den Reaktor ab, müsse man ihn erst abkühlen lassen. Um an das Eingemachte im Reaktor, an die Brennstäbe zu kommen, müsse ein Deckel geöffnet werden. "Dann werden wir die Brennelemente aus dem Herzen des Reaktors herausnehmen. Die Brennelemente befinden sich in viereckigen Behältern. Durch einen Tunnel und immer mit Wasser umgeben werden wir die Brennelemente in ein anderes Gebäude transportieren, wo sie vorerst gelagert werden."
Fünf Jahre, so sagt es Massaut, müssten diese Brennelemente in der Regel dann dort in diesem Gebäude lagern, um völlig abzukühlen. Erst wenn das erreicht sei, könne man die Brennelemente aus dem Wasser nehmen und in Spezialcontainer umladen. Im Trockenen müssten sie dann zunächst weitere 50 Jahre gelagert werden.
Allerdings gebe es auch die Möglichkeit, die benutzen Elemente nach fünf Jahren zur Wiederaufbereitung nach La Hague in Frankreich zu bringen. Dort könnten Experten Uran und Plutonium aus den Brennstäben herausholen, um sie wieder zu verwenden.
Bevor die Gebäude des Reaktors zurückgebaut oder ganz abgerissen werden können, müssen sie dekontaminiert, gereinigt werden. Dafür werden Spezialprodukte und Säuren eingesetzt, um die gefährliche Strahlkraft aus den Materialien zu zwingen. Dieser Prozess könne im Grunde sehr schnell beginnen, wenn die Brennelemente aus dem Reaktor entfernt worden seien.
Eine Wiederaufnahme des Betriebs von Tihange 1, zu der es Gedankenspiele der Föderalregierung gibt, ist rein technisch gesehen aus Sicht von Massaut zu jedem Zeitpunkt des Abbaus möglich. "Es gibt nichts, was man nicht wieder rückgängig machen könnte. Aber alles hängt davon ab, wie weit man schon ist. Je weiter der Rückbau schon fortgeschritten ist, je teurer wird es, diesen Rückbau zu stoppen und den Reaktor wieder für den Betrieb herzurichten."
Kay Wagner