Ein "symbolträchtiges" Wochenende liegt hinter uns, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn Premier Bart De Wever hat in den letzten Tagen ein ums andere Mal doppeldeutige Botschaften ausgesandt. Erster Akt: Essen. De Wever war am Samstag überraschend in die Ruhrmetropole gereist, um dort einem Konzert beizuwohnen. Es war allerdings nicht irgendein Konzert. Am Dirigentenpult stand nämlich kein Geringerer als Lahav Shani, also der israelische Dirigent, der unfreiwillig im Zentrum einer Polemik im In- und Ausland steht.
Lahav Shani sollte eigentlich an diesem Donnerstag mit den Münchner Philharmonikern beim "Gent Festival van Vlaanderen" auftreten. Das Orchester wurde aber kurzfristig ausgeladen. Alle Begründungen drehten sich um die Person Lahav Shani. Erst hieß es, der Dirigent habe sich nicht klar genug von der Politik seines Landes distanziert. Shani ist nämlich unter anderem auch Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestra. In einer zweiten Phase wurden dann Sicherheitsbedenken angemeldet wegen befürchteter pro-palästinensischer Proteste.
Die Absage des Konzerts sorgte für empörte Reaktionen, zunächst aus einigen Nachbarländern, vor allem aus Deutschland. Die deutsche Botschaft warnte deswegen sogar vor einem möglicherweise nachhaltigen Imageschaden für Flandern und Belgien… Aber auch im Inland schlug die Entscheidung der Genter Festivalleitung hohe Wellen. Vor allem die N-VA ging auf die Barrikaden, erst recht, nachdem die flämische Vooruit-Kulturministerin Caroline Gennez sich auch noch hinter die Organisatoren gestellt hatte.
Und in diesen Kontext bettete sich also der Besuch von Premierminister Bart De Wever in Essen ein. De Wever traf nach dem Konzert mit dem Dirigenten Lahav Shani zusammen. Beide posierten für ein Foto, das gleich in sozialen Netzwerken verbreitet wurde. De Wever selbst erklärte, es habe sich um einen Privatbesuch gehandelt. Im selben Atemzug fügte er aber hinzu, dass er getan habe, was getan werden musste, um das Image des Landes wieder herzustellen.
Doch gab es da zwischen den Zeilen natürlich auch noch ein Signal, das "nach innen" gerichtet war: Mit dem Besuch gab De Wever nämlich auch dem Koalitionspartner Vooruit einen Schuss vor den Bug. Denn die flämischen Sozialisten sind ja nicht nur auf der flämischen Ebene Teil der Regierungsmehrheit, sondern auch auf der föderalen. Der Vooruit-Vorsitzende Conner Rousseau hat das auch genau so verstanden. "De Wever sollte endlich aufhören, Öl ins Feuer zu gießen", ließ sich Rousseau zitieren.
Doch waren auch andere Koalitionspartner nicht wirklich erbaut über den neuerlichen Knatsch. "De Wever kann natürlich tun und lassen, was er will", sagte CD&V-Chef Sammy Mahdi in der VRT. "De Wever kann meinetwegen auch privat nach Papua-Neuguinea reisen. Aber machen wir uns nichts weiß: Das ist Symbolpolitik. Und das bringt uns keinen Schritt weiter", so Mahdi. "Wir brauchen mehr denn je deutliche Absprachen innerhalb der Regierung, um solch peinliche Situationen in Zukunft zu vermeiden", fügte er hinzu. Da war Bart De Wever aber schon zurück aus Essen…
Zweiter Akt: Walibi. Nein, De Wever war nicht auf Privatbesuch in dem wallonischen Freizeitpark mit dem Känguru-Emblem. Vielmehr organisierte die liberale MR dort ihren Familientag. Das Ganze dann aber doch gepaart mit einer Art "kleinen Parteitag". Zum Höhepunkt kommt Premierminister Bart De Wever auf die Bühne, der von den Anwesenden mit stehenden Ovationen empfangen wird.
De Wever bedankt sich mit einer Lobeshymne auf seine Gastgeber: Die MR sei von tragender Bedeutung gewesen beim Ausarbeiten all der Reformen, die die Arizona-Koalition schon auf den Weg gebracht hat. "Doch auch für all das, was wir noch zusammen erreichen wollen, brauchen wir eure Unterstützung", wendet sich De Wever an die blaue Basis. Beobachter sind sich einig, dass das kein reiner Höflichkeitsbesuch war. Vielmehr haben hier MR und N-VA demonstrativ den Schulterschluss geübt. Hier sei vielleicht sogar eine neue politische Allianz aus der Taufe gehoben worden, hört und liest man in Leitartikeln.
Und auch hier gibt es zwischen den Zeilen eine Botschaft an die Koalitionspartner, die vor dem Hintergrund der anstehenden Haushaltsberatungen zu verstehen ist. Botschaft, die da lautet: "Macht Euch keine Illusionen: Die beiden stärksten Parteien des Landes sind in wesentlichen Punkten auf einer Wellenlänge, und sie werden bei den bekanntermaßen komplizierten Verhandlungen den Ton angeben." Ein symbolträchtiges Wochenende, mit einer zentralen Botschaft von Premier De Wever: "Der Platzhirsch, der bin ich".
Roger Pint