Viel ist über die Ermittlungen der Brüsseler Staatsanwaltschaft gegen die Bank ING nicht bekannt. Julien Moinil, Königlicher Prokurator in Brüssel, bestätigte zwar der Zeitung Le Soir, dass Mitarbeiter der Bank zu ihrer Rolle im Fall der möglichen Geldwäsche durch Reynders befragt werden. Details wollte Moinil aber nicht nennen - aus Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen.
Und so bleibt es dabei, dass über den Inhalt der Ermittlungen nur von außen spekuliert werden kann aufgrund der Fakten, die bislang über den Fall bekannt sind. Und das sind in der Kombination Reynders und seiner Hausbank ING die folgenden: 2008 beginnt Reynders, regelmäßig höhere Summen Bargeld auf sein Girokonto bei der ING einzuzahlen. Bis 2018 sollen auf diese Weise 700.000 Euro zusammengekommen sein.
Die Bank kontaktiert Reynders, um zu erfahren, was es mit den hohen Einzahlungen an Bargeld auf sich hat. Der antwortet, dass das Geld aus dem Kauf und Verkauf von Kunstgegenständen käme. ING verzichtet darauf, diesen Austausch der Behörde zum Kampf gegen die Geldwäsche (Ctif) zu melden. Noch im gleichen Jahr beginnt Reynders, mit Bargeld regelmäßig Spielscheine der Nationallotterie zu kaufen. Hiermit gerät er schließlich in den Fokus der Ermittler.
ING schickt erst 2023 einen Bericht an die Anti-Geldwäschebehörde, in dem sie Verdachtsmomente gegen Reynders formuliert. Fünf Jahre nach dessen Befragung. Zu spät? Diese Frage wird bei den Ermittlungen gegen ING mit großer Wahrscheinlichkeit eine zentrale Rolle spielen.
Wobei allein die Frage zu spät oder nicht grundsätzlich eher problematisch ist. "Es kann Transaktionen bei einer Bank geben, die sich über mehrere Jahre hinaus verteilen, und es ist dann die Summe dieser Transaktionen, die einen Verdacht entstehen lässt. Es gibt dafür also an sich keinen festgeschrieben Zeitraum", sagte die Steueranwältin Sabrina Scarna der RTBF.
Mit dieser Erklärung wird zwar verständlich, warum ING erst nach zehn Jahren bei Reynders nachgefragt hat, was es denn mit den hohen Bareinzahlungen auf sich hat. Aber alles weitere bleibt Spekulation. Denn wie die Bank die Antwort von Reynders 2018 bewertet hat, dass er das Geld aus dem Verkauf von Kunstwerken hat, ist der Öffentlichkeit nicht bekannt. Auch nicht, warum fünf Jahre später dann doch ein Verdachtsbericht an die Anti-Geldwäsche-Behörde geschickt worden ist.
Dass die Bank sich nach dem Austausch mit Reynders 2018 weiter um die Geldflüsse auf seinem Konto mit größerer Aufmerksamkeit gekümmert, und auch die älteren Transaktionen noch einmal neuen Analysen unterzogen haben könnte, wäre nichts Außergewöhnliches. So erklärt das Charline Gorez, Sprecherin des Verbands des belgischen Finanzsektors (Febelfin). "Bei einer bestimmten Kategorie von Personen, zum Beispiel eben auch bei bekannten Politikern, sind Banken oft noch einmal ein Stück wachsamer als bei anderen Kunden."
Falls sich der Verdacht gegen ING erhärten sollte, irgendetwas falsch gemacht zu haben im Fall Reynders - mit Vorsatz oder nicht - würde das für die Bank durchaus Konsequenzen haben. "Das kann sehr harte Sanktionen nach sich ziehen", sagt dazu Charline Gorez. "Es kann Geldstrafen geben. Aber es können auch Mitarbeiter der Bank direkt sanktioniert werden. Auch Gefängnisstrafen sind möglich."
Kay Wagner