Die sozialen Medien sind seit vielen Jahren allgegenwärtig und für viele Menschen fester Bestandteil ihres Lebens. Es überrascht also nicht, dass sie auch schon öfter von der Wissenschaft ins Visier genommen worden sind - auch und gerade im Zusammenhang mit dem mentalen Wohlbefinden der Nutzer. Diesen Aspekt haben nun auch Forscher der Universität Gent unter die Lupe genommen.
Dazu haben sie zwei Gruppen miteinander verglichen: Eine Gruppe durfte die sozialen Medien zwei Wochen lang nur höchstens eine halbe Stunde pro Tag nutzen, die andere Gruppe bekam keine zeitlichen Beschränkungen. Oder anders gefragt: Wie wirkt sich eine Pause beim Konsum sozialer Medien, auch "Digital Detox" genannt, auf das psychische Befinden aus? Weil "psychisches Befinden" oder "Wohlbefinden" doch ein sehr abstrakter Begriff ist, haben die Forscher dafür verschiedene Indikatoren festgelegt, wie Ernst Koster gegenüber der VRT erklärt. Koster ist Professor für Klinische Psychologie an der Universität Gent. Also zum Beispiel Schlaf, Selbstbild, Grübeln und ähnliche Parameter.
"Digital Detox" ohne große Auswirkungen auf Probanden
Zur Überraschung der Forscher kam dabei aber nicht heraus, dass sich die Gruppe, die weniger Zeit mit den sozialen Medien verbrachte, deutlich besser fühlte als die Kontrollgruppe mit unbegrenztem Zugang. "Digital Detox" schien also keine großen Auswirkungen zu haben. Daraufhin nahmen sich die Wissenschaftler die Daten aus früheren Untersuchungen vor. Und auch hier konnte, zumindest nach ihrer Analyse, keine Rede sein von eindeutigen Ergebnissen.
Es habe sich ein ziemlich gemischtes Bild ergeben, erläutert Koster: Manche Studien hätten positive Auswirkungen ergeben, andere negative und wieder andere gar keine. Auch wenn Auswirkungen festgestellt worden seien, seien diese eigentlich eher enttäuschend gewesen. Im Sinne von: Auch bei einer starken Reduzierung der Zeit mit den sozialen Medien beziehungsweise einem Totalverzicht war es sehr schwierig, direkte Zusammenhänge zu großen Vorteilen für das mentale Wohlbefinden festzuhalten.
Nicht die entscheidende Ursache für psychische Probleme
Abgesehen davon müsse man sich ohnehin davor hüten, Korrelation mit Kausalität zu verwechseln, warnt der Experte. Nur weil es mögliche Verbindungen gebe zwischen einem stärkeren Konsum sozialer Medien und psychischen Problemen, bedeute das noch lange keinen ursächlichen Zusammenhang. Sowohl ihre eigene als auch andere Studien legten eher nahe, dass soziale Medien eben nicht die eine entscheidende Ursache seien für psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen, als die sie oft hingestellt würden. Deswegen müsse man auch aufpassen, hier kein extrem negatives Bild der sozialen Medien entstehen zu lassen - und eine Beschränkung oder ein Verbot als Wunderwaffe gegen mentale Probleme bei Kindern und Jugendlichen zu präsentieren.
In diesem Zusammenhang verweisen die Forscher aber auch explizit darauf, dass die meisten Studien bisher nur sehr kurzzeitige Auszeiten von den sozialen Medien untersucht haben, verlässlichere Aussagen über mögliche Langzeitfolgen also noch fehlen. Ein weiterer wichtiger Punkt: Ergebnisse aus Gruppenstudien sagten nicht zwangsläufig etwas aus über die individuellen Folgen des Konsums von sozialen Medien.
Studie kein "Freifahrtschein" für unbegrenzte Smartphone-Nutzung
Denn Studien wiesen darauf hin, dass es da sehr große Unterschiede zwischen einzelnen Individuen geben könne. Also dass ein übermäßiger Konsum von sozialen Medien oder allgemein sehr intensive Nutzung des Smartphones durchaus negative Auswirkungen haben könne auf bestimmte Personen. Als Freifahrtschein für unbegrenzte Smartphone-Nutzung will Koster die neue Studie also auf keinen Fall verstanden wissen. Nur müsse diese Diskussion eben differenzierter und nuancierter als bisher geführt werden.
Boris Schmidt