Die Befristung des Arbeitslosengeldes, darüber sind schon Unmengen an Tinte geflossen. Die Regierung nennt die Maßnahme das "Herzstück ihrer Politik". Die Opposition spricht -in der Summe mit anderen Beschlüssen- vom "größten sozialen Rückschritt seit Jahrzehnten".
Künftig soll die Regel gelten, dass Menschen, die länger als zwei Jahre keinen Job haben, ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld verlieren. Es gibt Ausnahmen, und zwar insbesondere für Über-55-Jährige. Nur liegt die Latte da hoch: Wer keine 30 Arbeitsjahre aufweisen kann, für den gilt die Regel auch schon, also wird das Arbeitslosengeld nach zwei Jahren gestrichen.
50.000 Betroffene über 55
82 Prozent der erwerbslosen Über-55-Jährigen sind eben in diesem Fall. Das sind ziemlich genau 50.000 Menschen. Und die werden im Januar ihren Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung verlieren. Und um diese Gruppe dreht sich häufig die Diskussion. Die linke Opposition und auch die Gewerkschaften beklagen, dass viele dieser älteren Leistungsempfänger ungerecht behandelt würden.
Nur fehlten bislang die Zahlen. Man konnte sich kein genaues Bild von der Lage machen. Und diese Statistik haben die rechtsgerichteten Regierungsparteien jetzt nachgeliefert, und zwar buchstäblich "im Zusammenspiel": Der N-VA-Fraktionsvorsitzende in der Kammer, Axel Ronse, stellte einen entsprechenden Antrag an den MR-Arbeitsminister David Clarinval, der die Zahlen lieferte.
Und die scheinen der Regierung -aus Sicht von Axel Ronse- in gewisser Weise recht zu geben. "Schauen wir uns also nochmal die Kategorie der Über-55-Jährigen an, die weniger als 30 Arbeitsjahre aufweisen können und die demzufolge ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld verlieren", sagte Ronse in der VRT. "Nun, wir stellen fest, dass jeder Dritte von ihnen länger als zehn Jahre arbeitslos gemeldet ist. Je nach Region ist das Phänomen noch ausgeprägter: In der Wallonie bezieht jeder Zehnte erwerbslose Über-55-jährige schon seit mehr als 20 Jahren Arbeitslosengeld, in Brüssel jeder Achte.
Nochmal die Quintessenz: Mindestens jeder dritte erwerbslose Über-55-Jährige ist schon seit mehr als zehn Jahren ohne Job. Und das ist eigentlich nicht mehr zu rechtfertigen, sagt Axel Ronse. Denn, so argumentiert der N-VA-Fraktionsvorsitzende: "Nehmen wir mal das flämische Arbeitsamt: Dort gibt es mehr als 100.000 offene Stellen, für die schon ein Grundschuldiplom ausreicht."
Kritik der Opposition
"Grobe Verallgemeinerung!", würden Kritiker jetzt einwenden. Denn jeder weiß, dass die Diplomanforderungen nur ein Kriterium unter vielen sind und sich hinter solchen Jobangeboten mitunter auch andere Fallstricke verbergen können, insbesondere in Bezug auf das Alter des Kandidaten oder auch eine minimale Berufserfahrung in einem bestimmten Job. Man könne jedenfalls nicht einfach so tun, als könne man die -im vorliegenden Fall- 50.000 Menschen einfach so "mir nichts, dir nichts" auf die existierenden offenen Stellen verteilen, so ein oft gehörter Einwand.
Axel Ronse fühlt sich dennoch von diesen Statistiken bestätigt: "All diese Menschen, die seit mindestens zehn Jahren ohne Job sind, das zeige doch, dass man die Menschen quasi in der Arbeitslosigkeit belassen und ihnen einfach eine Unterstützung gezahlt hat. Und diesen Tanker bringen wird jetzt auf einen neuen Kurs."
"Wenn diese Rechnung mal aufgeht", hört man aber schon andere Kritiker sagen. Im Januar droht nämlich ein mittleres Chaos, oder sagen wir: eine ausgewachsene Herausforderung. Geschätzt knapp 115.000 Menschen werden dann ihr Anrecht auf Arbeitslosenunterstützung verlieren. Und man geht davon aus, dass mindestens ein Drittel von ihnen dann postwendend bei den Sozialhilfezentren in ihren jeweiligen Gemeinden anklopfen werden. Dort bereitet man sich ja auch schon unter Hochdruck auf einen Ansturm von neuen Kunden vor, was mit allerlei Problemen verbunden sein wird.
Folgen für die Gemeinden
Und es wird erwartet, dass unter den Neuankömmlingen auch die meisten der von der Maßnahme betroffenen 50.000 Über-55-Jährigen sein werden. Denn, ungeachtet der neuen Zahlen: Diese Menschen bleiben schwer vermittelbar, wegen ihres Alters -man muss sagen, wie es ist- und auch eben wegen der Tatsache, dass sie oft schon länger arbeitslos sind.
Roger Pint