"Ich treffe diese Vorsichtsmaßnahme nicht aus Spaß an der Freude, auch nicht, um die Soldaten zu schikanieren, sondern um sie zu schützen." Es ist schon eine einschneidende Maßnahme, die Verteidigungsminister Theo Francken in der VRT ankündigt.
Viele Soldaten, die am Montag beim traditionellen Defilee der militärischen und zivilen Einheiten zum Nationaleiertag mitmarschieren werden, müssen nämlich ihr Gesicht unkenntlich machen. Zum Beispiel mit einem sogenannten "Buff", also einem Schlauchtuch, dass Mund und Nase bedeckt. Die Maßnahme betrifft nicht alle Soldaten, sondern nur die, die in Einsatzgebieten aktiv sind, insbesondere an der Nato-Ostflanke: an der Grenze zu Russland oder Belarus.
"Solche Vorsichtsmaßnahmen sind in unseren heutigen Zeiten nötig. Wir haben Krieg in Europa. Die Bedrohung nimmt zu, vor allem durch hybride Kriegsführung. Und wir erleben zugleich eine technologische Revolution: Mit Hilfe von Gesichtserkennung, Künstlicher Intelligenz und Supercomputer können Datenbanken über die Soldaten angelegt werden, die am Montag über die Place des Palais paradieren. Und das wäre gefährlich", betont der N-VA-Politiker.
"Mit Supercomputern kann man heute genaue Profile einzelner Soldaten anlegen. Und am Ende, wenn man alle Puzzlestücke zusammengesetzt hat, dann weiß man, wo der oder die Betreffende wohnt, vielleicht sogar, wer der Lebenspartner ist oder wie die Kinder heißen. Auch medizinische Daten kann man mitunter mit diesen Profilen verknüpfen", sagt Francken.
"Deswegen ist hier absolute Vorsicht geboten, muss die Identität der Soldaten geschützt werden", wiederholt der Verteidigungsminister immer wieder. Er habe zwar keine wirklich handfesten Beweise für diese Hypothesen, also er könne nicht mit Bestimmtheit behaupten, dass etwa die Russen oder Chinesen tatsächlich solche Datenbanken anlegen. Aber jeder wisse schließlich, dass das technisch möglich sei - und dass insbesondere große Armeen nunmal "per se" alle verfügbaren Mittel nutzten.
"Vorsicht ist nunmal die Mutter der Porzellankiste", sagt Theo Francken. "Und deswegen müssen wir vermeiden, dass ihre Identität über ihr Gesicht quasi der Welt live präsentiert wird - im Interesse der Soldaten selbst, aber auch ihrer Familien, ihres Privatlebens." Er sei sich dessen bewusst, dass andere Länder nicht so weit gehen, sagt Francken. Aber er sei davon überzeugt, dass es nicht mehr sehr lange dauern werde, bis alle anderen das genauso handhaben würden.
Dennoch sind auch hierzulande erstmal nicht alle von der Maßnahme überzeugt. Gewerkschaften übten schon Kritik an der Entscheidung des Verteidigungsministers und sprachen sogar von Paranoia. "Kann ich nicht nachvollziehen", seufzte Theo Francken in der VRT. Natürlich hätten die Gewerkschaften ein Mitspracherecht, wenn es um die Sicherheit des Personals gehe. Und das sei auch gut so. Er verstehe natürlich, dass es da Fragen gebe. Aber in einem solchen Zusammenhang von "Paranoia" zu sprechen, das gehe ihm nicht in den Kopf.
Francken denkt derweil schon über weitere Maßnahme nach. So findet es der N-VA-Politiker unverantwortlich, dass Soldaten etwa beim Joggen Apps nutzen, die es prinzipiell ermöglichen, allerlei Daten abzugreifen etwa über die Route oder auch die körperliche Fitness. Auch auf Dating-Apps sollten Soldaten sich nicht herumtreiben, zumindest sich nicht als solche zu erkennen geben. "Klar mag das der eine oder die andere nicht lustig finden", sagt Francken. "Wir leben aber eben nicht in lustigen Zeiten. Und es wird Zeit, dass alle das begreifen."
Roger Pint