Es ist geschafft. Erstmals wird Belgien eine Kapitalertragssteuer einführen. Die war schon im Regierungsprogramm angekündigt, jetzt wird sie auch kommen. Zwar muss das Gesetz noch vom Parlament verabschiedet werden. Die Zustimmung mit den Stimmen der Regierungsparteien dürfte dabei aber gewiss sein.
Am 1. Januar soll die Steuer dann in Kraft treten. Finanzminister Jan Jambon von der N-VA zeigte sich am Ende der Verhandlungen zufrieden. "Die Kapitalertragssteuer", sagte er der VRT, "war schon immer eins der kniffligsten Themen für diese Regierung. Und jetzt bin ich sehr froh, dass wir die Puzzle-Stücke zusammengefügt haben und dass die Sache rund ist."
Umstritten war die neue Steuer deshalb, weil sie nicht allen Parteien der Regierung gefällt. Jambons N-VA genauso wie die frankophonen Liberalen von der MR hätten gerne auf sie verzichtet. Doch dann hätten N-VA und MR die flämischen Sozialisten von Vooruit nicht dazu bringen können, Teil der neuen Föderalregierung zu werden.
Im Kern sieht der Beschluss jetzt folgendes vor: Wer Börsentitel wie zum Beispiel Aktien verkauft, muss auf den Gewinn zehn Prozent Steuern zahlen. Dabei gibt es einen Freibetrag von 10.000 Euro. Jedes Jahr, in dem man die Aktien hält, steigt der Freibetrag um 1.000 Euro bis zu einem maximalen Freibetrag von 15.000 Euro. Gewinne aus Renten- und Gruppenversicherungen werden nicht besteuert. Wer Anteile von mehr als 20 Prozent von Firmen verkauft und dabei mehr als eine Million Euro Gewinn erzielt, soll ebenfalls dank der neuen Steuer zur Kasse gebeten werden.
Die Väter dieses Beschlusses klopften sich am Morgen nach der durchgearbeiteten Nacht alle selbst auf die Schulter. "Ich glaube, dass wir eine gerechte und ausgeglichene Lösung gefunden haben", wertete Außenminister Maxime Prévot für Les Engagés im flämischen Fernsehen.
Haushaltsminister Vincent Van Peteghem von der CD&V kommentierte: "Wir haben dafür gesorgt, dass die haushaltspolitischen Aspekte in dem Gesetz zur Genüge berücksichtigt werden, dass aber gleichzeitig auch die kleinen Sparer, die Mittelschicht, so weit wie möglich nicht davon betroffen wird." Gut sei ebenfalls, dass Renten- und Gruppenversicherungen nicht von den Maßnahmen betroffen werden, dass Sparbeträge für Kinder von Abgaben befreit bleiben. "Damit haben wir unsere Ziele erreicht", sagte Van Peteghem.
Franck Vandenbroucke von Vooruit war nach dem Beschluss vor der Presse mehr Parteipolitiker als Gesundheitsminister. "Es ist wirklich wichtig, dass wir diese Einigung erzielt haben", sagte er. "Dadurch wird ein bisschen mehr Last auf die stärksten Schultern gelegt. Da geht es um besonders reiche und vermögende Menschen. Und besonders wichtig ist es, dass nicht zahlreiche Schlupflöcher offengelassen wurden. Das war unsere große Befürchtung."
Sogar die MR machte gute Miene zum eigentlich bösen Spiel für sie. Parteichef Georges-Louis Bouchez twitterte auf der Plattform X, dass diese Steuer dann eben der Preis dafür sei, den man für die gemeinsame Regierung mit Vooruit bezahlen müsse.
Und Wirtschaftsminister David Clarinval, der an den Verhandlungen für die MR mit teilgenommen hatte, sagte: "Es war sehr wichtig für diese Regierung, dass wir diese Einigung erzielt haben. Wir haben gezeigt, dass wir Entscheidungen treffen. Diese Einigung ermöglicht es auch, bei anderen Themen voranzukommen. Sie wissen ja, dass ja einige Abhängigkeiten geschaffen worden sind. Deshalb ist es eine gute Sache, dass wir diese Einigung heute erzielt haben."
Konkret meinte Clarinval damit die Zustimmung von Vooruit zur Beschränkung des Arbeitslosengeldes auf zwei Jahre. Vooruit hatte damit gedroht, diese Reform zu blockieren, wenn die Kapitalertragssteuer nicht eingeführt werde. Auch die Zustimmung der Sozialisten zum Kauf neuer F-35-Kampfjets für das Militär scheint durch den nun erfolgten Beschluss gesichert.
Kay Wagner