"Es ist Zeit, dass der Völkermord gestoppt wird; und wir erwarten von der Politik, dass sie ihre Verantwortung übernimmt", sagte Els Hertogen, die Direktorin der Hilfsorganisation 11.11.11, die zusammen mit anderen Menschenrechtsgruppen zu der Brüsseler Kundgebung aufgerufen hatte.
Und die Resonanz könnte sogar die kühnsten Erwartungen übertroffen haben. Zwischen 75.000 und 100.000 Teilnehmer zogen am Sonntag durch die Straßen der Hauptstadt: Ein Meer aus rot gekleideten Menschen. "Rot", weil in ihren Augen im Gazastreifen längst eine "rote Linie" überschritten wurde.
Israel lässt nur spärlich Hilfsgüter in das Küstengebiet; hunderttausende Menschen sind nach wie vor vom Hungertod bedroht. "In Gaza sei ein Völkermord im Gange", so die Überzeugung vieler Demonstranten.
Und diese Großkundgebung sei doch der beste Beweis dafür, dass die Belgier von ihren politisch Verantwortlichen erwarten, dass sie endlich darauf reagieren, sagt Els Hertogen. Dass sich die belgische Regierung Israel gegenüber härter aufstellt, etwa Wirtschaftssanktionen verhängt, oder ein Waffenembargo.
Keine Einigkeit innerhalb der Föderalregierung
Eine Reaktion der Regierung ließ dennoch auf sich warten. Premierminister Bart De Wever wollte sich dazu nicht äußern, immerhin aber Maxime Prévot am Montagmorgen in der VRT. Doch konnte der eigentlich nur wiederholen, was man längst weiß.
Er habe das Signal von Sonntag durchaus zur Kenntnis genommen. Und, ja, da sei natürlich die Regierung gefragt. Aber, so fügt es Les Engagés-Politiker etwas kleinlaut hinzu: "Es ist nunmal kein Geheimnis, dass es in der Frage des Nahostkonflikts 'unterschiedliche Befindlichkeiten' innerhalb der Regierung gibt."
Maxime Prévot wollte keine Namen nennen, bestritt aber auch nicht, dass hier N-VA und MR gemeint sind. Die N-VA hat da ihre Wähler in Antwerpen vor Augen, konkret die große jüdische Gemeinde in der Scheldestadt. Bei der MR ist das ähnlich, wobei hier der Fokus auf Brüssel liegt.
Beide Parteien sträuben sich jedenfalls davor, die Politik der Regierung Netanjahu allzu offen zu kritisieren. "Wir können aber nur im Konsens entscheiden, und in dieser Frage gibt es den eben nicht", beklagt Prévot. Und, ja, das sei frustrierend, das verstehe er durchaus.
Es gebe aber einzelne Signale, betont Prévot. Er selbst hatte sich in seiner Eigenschaft als Außenminister durchaus auch schon kritisch zur Vorgehensweise der israelischen Regierung geäußert. Aber, er persönlich ginge da doch gerne noch einen Schritt weiter, gibt der Außenminister zu, er habe eine klarere Haltung in Bezug auf die Lage im Gazastreifen.
Roger Pint