Ein elfjähriger Junge auf einem E-Roller, der bei einer Verfolgungsjagd von einem Polizeiauto angefahren und dadurch tödlich verletzt wird: Auch für Innenminister Bernard Quintin ist das ein Schock. "Das ist ein Drama, ein unsäglicher Schmerz“, sagte er im Radio der RTBF. "Mein Mitgefühl geht in erster Linie an die Familie. Das habe ich der Familie, der Mutter von Fabian am vergangenen Donnerstagvormittag auch persönlich so gesagt."
Nach dieser grundsätzlichen Feststellung ging es dann ans Eingemachte. Da wollten die Journalisten vom Innenminister wissen, wie es denn überhaupt zu diesem Vorfall hatte kommen können. Und welche Konsequenzen das nach sich ziehen werde.
Quintin blieb bei seinen Antworten vorsichtig. Es sei besser, sich zu den Vorfällen nicht zu äußern, bevor die Ermittlungen zu diesem schrecklichen Drama nicht abgeschlossen seien. "Der Staatsanwalt hat den zuständigen Untersuchungsausschuss bei der Polizei damit beauftragt, die Ermittlungen aufzunehmen. Der wird uns seine Ergebnisse präsentieren. Das wird zu verschiedenen Maßnahmen führen. Welche das sein werden, müssen wir abwarten", sagte der Innenminister.
Keine vorschnellen Konsequenzen aus dem Drama also, und auch keine pauschale Verurteilung der Polizeiarbeit. Ganz im Gegenteil stellte sich Quintin klar vor die Polizei.
Die Polizisten in Belgien seien gut ausgebildet. Aber natürlich müsse man die Ausbildung auch gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen. Die Verfolgung eines E-Rollers mit einem Polizeiauto sei eine Sache, mit der man sich bei den Ausbildungslehrgängen der Polizisten genauer beschäftigen müsse.
Quintin: Keine unrechtmäßige Polizeigewalt
Quintin wies aber darauf hin, dass es weiter Verfolgungsjagden geben werde. "Da bin ich ganz deutlich. Die Polizei muss ihre Arbeit machen können. Dafür brauchen wir Rahmenbedingungen, die so präzise wie möglich sind und alle gleichermaßen schützen, die Bürger natürlich, aber auch die Polizisten."
Dass die Polizei ein grundsätzliches Problem mit Gewaltanwendung habe, also oft zu schnell gewalttätig werde, weist Quintin entschieden zurück: "Es gibt keine unrechtmäßige Polizeigewalt. Es kann sein, dass Polizisten manchmal gewalttätig werden, absichtlich oder auch nicht. Aber von unrechtmäßiger Polizeigewalt zu sprechen würde bedeuten, dass es eine systematische Gewaltanwendung bei der Polizei geben würde, eine Art kollektive Gewaltanwendung. Und das ist nicht der Fall."
Polizisten seien auch Menschen, und wie alle anderen Menschen hätten Polizisten Stärken und manchmal auch Schwächen. Deshalb sage er ja auch nicht, dass alles und alle perfekt seien. Denn so sei es eben nicht, so könne es gar nicht sein.
Quintin setzte sich auch gegen einen anderen Vorwurf deutlich zur Wehr und sagte: "Die Polizei ist da, um die Bevölkerung zu schützen. Und das macht sie sehr gut. Was durch kleine Äußerungen hier und da angedeutet werden soll, nämlich dass die Polizei gegen die Bevölkerung arbeite, ist absolut nicht der Fall."
Kay Wagner