Ein unbeschriebenes Blatt in der Politik ist Verougstraete nicht – und das merkte man in der Art und Weise, wie sich der 49-jährige Unternehmer am Donnerstag ziemlich souverän im Kreuzverhör der zwei RTBF-Journalisten in der Sendung Jeudi en Prime verbal bewegte.
Verougstraete stammt aus der Brüsseler Stadtgemeinde Ixelles, wohnt aber seit Jahren in der etwas weiter östlich gelegenen Brüsseler Stadtgemeinde Woluwé-Saint-Pierre. Dort startete er mit 20 Jahren als frisch gewählter Gemeinderat auch seine politische Karriere. Beruflich war Verougstraete als Unternehmer aktiv. Vergangenes Jahr wurde er Abgeordneter im Europaparlament, im Herbst erneut in den Gemeinderat von Woluwé-Saint-Pierre gewählt. Und jetzt ist noch der Vorsitz seiner Partei, Les Engagés, hinzugekommen.
Programmatisch scheint er sich dabei kaum von seinem Vorgänger zu unterscheiden. Die Richtung seiner Partei zumindest will Verougstraete nicht ändern. Direkt gefragt, wo er seine Partei im Spektrum von links bis rechts einordne, antwortete er: "Ganz klar in der Mitte. Wir sind es, die die Verbindung schaffen können, um alle mit ins gleiche Boot zu holen."
Die Mitte blieb das ganze Interview hindurch das Credo des Parteivorsitzenden. Les Engagés als die Partei der Mitte, die alle mitnehmen will auf der Reise der Veränderungen, die Belgien bevorstehen. Denn, so begründete es Verougstraete: "Die große Gefahr für unsere Gesellschaft ist, dass sie auseinanderbricht. Und genau dagegen kämpfen wir als Les Engagés an. Wir wollen verhindern, dass sich die Gesellschaft polarisiert."
Als Anhängsel der MR will Verougstraete seine Partei auf keinen Fall sehen. Dieser Vorwurf wird ja öfter mal erhoben. Als Juniorpartner regieren Les Engagés zusammen mit der MR die Wallonie und die Französischsprachige Gemeinschaft, und auch in der Föderalregierung bilden die beiden Parteien die frankophonen Vertreter in der Fünfer-Koalition.
Doch trotz dieser untergeordneten Rolle würde die Stimme von Les Engagés durchaus gehört in diesen Regierungen – und könne die Partei Einfluss nehmen. Das sei laut Verougstraete nicht nur der Fall gewesen bei dem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss des Kernkabinetts, das Arbeitslosengeld auf zwei Jahre zu beschränken. Sondern auch bei der Position der Regierung zum Gaza-Konflikt habe die Partei Änderungen erwirkt.
Viel wichtiger allerdings als solche Erfolge an die große Glocke zu hängen und irgendwelche symbolischen Trophäen einzuheimsen, sei seiner Partei, strukturelle Veränderungen der Mentalitäten zu erreichen, sagte Verougstraete. "Darin werden wir uns unterscheiden von den anderen."
Diese Äußerung kann durchaus als kleiner Seitenhieb gegen die MR und vor allem gegen ihren Vorsitzenden Georges-Louis Bouchez gewertet werden. Denn der ist genau das Gegenteil von dem, was Verougstraete für seine Partei in Anspruch nimmt. Bouchez liebt die lauten Töne, polarisiert manchmal bewusst, spricht Klartext und scheut keine Konfrontation.
Les Engagés pflegen an der Spitze der Partei einen anderen, einen ruhigeren, eben auf Ausgleich gerichteten Stil. Das war schon mit Maxime Prévot so. Unter Yvan Verougstraete scheint es genauso weiterzugehen.
Kay Wagner