Sterbehilfe ist in Belgien seit dem 1. September 2002 möglich. Seitdem steigen die Euthanasie-Zahlen Jahr für Jahr in unserem Land. Im ersten Jahr nahmen 23 Menschen diese Möglichkeit in Anspruch. Im Jahr 2023 waren es bereits 3.991 Patienten.
Laut der aktuellen Studie der Forscher Jacques Wels und Natasia Hamarat, die ihre Analyse im Fachjournal Jama Network Open veröffentlichten, gibt es keine Hinweise darauf, dass Bewohner von Pflegeeinrichtungen, Menschen mit Behinderung oder psychischen Erkrankungen unter Druck gesetzt werden. Die im Euthanasie-Gesetz eingebauten Absicherungen greifen und die Entscheidung bleibt freiwillig.
Das Gesetz besagt, dass Euthanasie nur Patienten gewährt werden kann, die aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls unerträglich leiden und für die keine Behandlung (mehr) möglich ist. Sie müssen freiwillig und wiederholt selbst darum bitten.
Der Hauptgrund für Euthanasie ist laut der Studie die demografische Entwicklung. Es gibt immer mehr Menschen über 60 Jahre, sowohl absolut als auch im Verhältnis zu jüngeren Bevölkerungsgruppen. Es sind vor allem die Über-60-, -70- und -80-Jährigen, die im Hinblick auf ihr nahendes Lebensende Euthanasie wählen. Außerdem habe sich das Gesetz seit seiner Einführung 2002 in der Gesellschaft etabliert, was die Akzeptanz und das Wissen darüber erhöht hat.
Die meisten Anfragen in Belgien kommen von Krebspatienten. An zweiter Stelle stehen ältere Menschen mit mehreren chronischen Leiden, der sogenannten Polypathologie. Interessanterweise ist weltweit auch die neurodegenerative Erkrankung ALS ein häufiger Grund für Euthanasie-Anfragen, obwohl sie insgesamt seltener vorkommt als zum Beispiel Krebs.
Über die sozioökonomische Herkunft, die Verteilung zwischen Stadt und Land oder die Provinzen konnten die beiden Forscher keine Aussagen treffen, da dazu keine Informationen in den von Ärzten an die Evaluierungskommission übermittelten Dossiers enthalten sind.
Die freie Universität Brüssel (VUB) und die Universität Gent haben aber eine Forschungsgruppe ("Zorg rond het levenseinde"). Laut Professor Luc Deliens von der VUB haben mehrere Studien gezeigt, dass Menschen mit einem höheren Bildungsabschluss häufiger Sterbehilfe beantragen und sie auch eher erhalten. Das liege vermutlich daran, dass diese Gruppe besser informiert sei und wisse, wie man den Antrag stellen muss.
standaard/mz