Bart de Wever empfängt uns in seinem Amtszimmer, Rue de Loi 16. Von draußen dringen die Straßengeräusche, innen Reminiszenzen an seine Leidenschaft für die römische Geschichte und an "sein" Flandern: Neben den Fahnen Belgiens und der Europäischen Union räkelt sich auf dem tiefblauen Sofa ein flämischer Löwe aus Plüsch.
Wir wollen von Bart De Wever wissen, inwiefern er sich als belgischer Premierminister von dem früheren Vorsitzenden der flämisch-nationalistischen N-VA unterscheidet.
"Die Rolle ist eine ganz andere, die Person bleibt dieselbe. Und ich gebe zu, ich muss mich noch dran gewöhnen. Als Parteivorsitzender war es meine Rolle, mich sehr stark und klar auszudrücken über unser Mitte-Rechts-Angebot. Jetzt, als Premier, muss ich Kompromisse verteidigen. Das zu tun, ohne seine Prinzipien zu verraten, ist nicht so einfach. Aber das ist jetzt meine Rolle. Und ich muss auch die Empfindlichkeiten des Koalitionspartners berücksichtigen."
Die Zusammenarbeit innerhalb der sogenannten Arizona-Koalition funktioniere, findet Bart De Wever, weil alle beteiligten Partner davon ausgingen, dass es so nicht weiter gehen könne in Belgien. Ausdrücklichen Respekt zollt er den beiden frankophonen Koalitionspartnern MR und Les Engagés, die Reformen unterstützen würden, die im südlichen Landesteil lange tabu gewesen seien, etwa bei den Renten oder beim Arbeitslosengeld. Dass sich die Regierung damit nicht beliebt mache, ist dem Premierminister klar.
"Wer sich die Mühe macht, den Berg zu erklimmen, wird oben mit einer schönen Aussicht belohnt. Aber leider sind wir noch nicht am Gipfel. Das Ziel ist noch nicht in Sicht. Der Weg ist noch lang. Es ist logisch, dass das Widerstand mit sich bringt, weil die Früchte unserer Entscheidungen erst nach einigen Jahren sichtbar sein werden. Aber ich glaube, dass, was wir machen, absolut notwendig ist und wir das durchsetzen, durchziehen müssen."
Auf lange Sicht strebt die Partei von Bart De Wever eine weitere, grundlegende Reform des belgischen Föderalstaates an. Stellt sich die Frage, welche Rolle der Deutschsprachigen Gemeinschaft zukommt - jetzt und in einem reformierten Belgien.
"Die Deutschsprachige Gemeinschaft ist eine verfassungsrechtlich verankerte Gemeinschaft mit eigenen Institutionen und Kompetenzen und einer starken Tradition der bürgernahen Verwaltung. Und alles, was ich tun kann, um das zu verstärken und um die Interessen der Gemeinschaft zu berücksichtigen, das werde ich machen."
Stephan Pesch