17 Psychologen, Neurologen und andere Experten haben einen offenen Brief an die Föderalregierung und an die Regionalregierung von Flandern geschrieben. Dienstag ist der Brief veröffentlicht worden und schlägt direkt Wogen in der flämischen Politik.
Die Experten warnen in dem Brief vor den negativen Auswirkungen, die soziale Medien auf junge Menschen haben. Denn: Vor dem Alter von etwa 16 Jahren sei das Gehirn der Kinder und Jugendlichen noch nicht fähig, vernünftig mit all dem umzugehen, was auf sozialen Medien lockt. Der zu frühe Zugang zu sozialen Medien würde deshalb schnell zu Abhängigkeiten führen. Die Konzentration der Kinder würde beeinträchtigt. Längeres Konzentrieren auf eine Sache werde schwieriger - und das wirke sich nachteilig auf die Entwicklung der Kinder - und auch das Lernen in der Schule aus.
Zumindest in Flandern ist dieses Problem der sozialen Medien und - weiter gefasst - der Smartphones nicht neu. In Flandern ist bereits beschlossen, dass der Gebrauch von Smartphones in Schulen ab nächstem Schuljahr bis einschließlich der zweiten Klasse der Sekundarschule grundsätzlich verboten wird.
Erst ab 13 Jahren nutzen
Soziale Medien darf man in Flandern nach offizieller Regel erst ab 13 Jahren nutzen. Doch eine wirkungsvolle Kontrolle dazu gibt es nicht. Das ist auch der Punkt, den Flanderns Medienministerin, die N-VA-Politikerin Cieltje Van Achter, als eins der Hauptprobleme sieht, wenn soziale Medien bis 16 Jahren verboten werden sollten. "Zurzeit gibt es noch keinen wissenschaftlichen Konsens darüber, dass ein Verbot die Sache regelt. Obwohl sich das vielleicht gut anhört. Ich verstehe natürlich die Sorgen und dass man die Sache beobachten und bestmöglich regeln muss. Aber ein Verbot ist letztlich auch ziemlich schwierig durchzusetzen."
Die flämische Gesundheitsministerin Caroline Gennez von Vooruit reagiert dagegen offener auf den Brief der 17 Experten. Sie kann sich ein Verbot von sozialen Medien bis 16 Jahren durchaus vorstellen. Und hat auch schon eine Idee, wie man das durchsetzen könnte. "Wir müssen die notwendigen Instrumente entwickeln. Hier in Belgien haben wir doch dieses ItsMe-System, über das man Zugangs-Codes für bestimmte Internetseiten der Regierung bekommt. Warum sollte man so ein System nicht auch für soziale Medien einführen?"
Auf europäische Ebene tragen
Im besten Fall würde das Thema auch auf die europäische Ebene getragen, schlägt Gennez vor. Denn wenn es darum geht, die Tech-Unternehmen mit ins Boot zu holen, um ein Verbot wirksam durchzusetzen, werde das nur mit europäischen Maßnahmen gehen. Belgien allein - so die Überlegung - sei dann einfach zu klein.
Die Tech-Unternehmen mit in die Verantwortung zu nehmen, fordert auch Kristel Lauwers vom Psychiatrischen Zentrum der Uni Löwen. Lauwers arbeitet dort in der Abteilung für Kinder und Jugendliche. Sie und ihre Kollegen unterstützen die Initiative des offenen Briefs, vor allem auch deshalb, damit über das Problem der sozialen Medien öffentlich gesprochen wird. "Das Wichtigste für uns ist, dass das Thema diskutiert wird. Wichtig für uns ist außerdem, dass die Tech-Unternehmen reguliert werden. Und dass Eltern, Lehrer und andere Personen nicht allein gelassen werden mit dem Problem der Nutzung von sozialen Medien durch Kinder und Jugendliche. Das muss gesetzlich stärker geregelt werden."
Kay Wagner