Über 60 Menschen festgenommen, über 80 verletzt. Zertrümmerte Autoscheiben, ein verwüstetes Geschäft und zahlreiche Prügeleien, bei denen junge Menschen mit Fäusten und Stangen aufeinander einschlagen, Steine werfen und auch noch weiter treten, wenn der Gegner schon am Boden liegt. Eine solche Spur der Gewalt zogen am Sonntagnachmittag mehrere Dutzend Anhänger des Fußballclubs Brügge durch die Hauptstadt Brüssel. Ausgehend vom Zentralbahnhof über die Stadtgemeinde Molenbeek bis hin nach Jette, wo das König-Baudouin-Stadion ihr letztes Ziel wurde. Dort fand das Pokalfinale zwischen Brügge und dem RSC Anderlecht statt.
Im Stadion selbst blieb wohl alles friedlich. Doch nach dem Spiel kam es in der U-Bahn, die vom Stadion zurück in die Innenstadt führte, erneut zu Schlägereien und Verwüstungen. Am Tag danach leckt sich die Polizei ihre Wunden. Polizeisprecherin Ilse Van de Keere war eine gefragte Frau für die Medien, um zu erklären, wie es zu diesen Ausschreitungen kommen konnte.
Van de Keere eierte in der RTBF herum. "Wir bereiten uns immer gut vor. Es besteht immer ein Risiko bei einem Pokalendspiel. Das ist immer eine schwere Aufgabe", so Van de Keere.
Warum es dann trotzdem zu diesem Marsch der Gewalt kommen konnte, hängt wohl mit dem unerwarteten Verhalten der Randalierer zusammen. Normalerweise kämen die Fans von Auswärtsmannschaften mit dem Zug im Bahnhof an und würden dann weiter mit der U-Bahn raus zum Stadion auf dem Heysel-Gelände fahren. Viele Fans von Brügge hätten das am Sonntag auch so gemacht. Nicht aber die Randalierer. Die hätten sich dazu entschlossen, zu Fuß vom Zentralbahnhof bis zum Stadion zu laufen. Problem hierbei: Der Marsch führt durch verschiedene Polizeizonen. Liegt der Zentralbahnhof auf dem Gebiet der Polizei Brüssel-Hauptstadt-Ixelles, so sind die Gemeinden Molenbeek und Jette Teil der Polizeizone Brüssel West.
Und auf so ein Szenario, nämlich zu Fuß laufende Fans über verschiedene Polizeizonen hinweg zu begleiten, war die Polizei nicht wirklich vorbereitet. Zumindest sind so die Worte von Van de Keere zu verstehen, wenn sie sagt: "Es gab viele Polizisten vor Ort, die jedes Mal dorthin gefahren sind, wo man sie gebraucht hat. Aber es gab dieses Szenario, diesen Fußmarsch über ein anderes Gebiet. Das müssen wir in Zukunft berücksichtigen."
Tatsächlich konnten sich die Randalierer frei bewegen. Polizeieskorten sind nicht zu sehen auf den Bildern, die im Internet von den Ausschreitungen zu sehen sind. Allerdings fuhren wohl immer wieder Polizeiautos zu den Stellen, von denen Ausschreitungen gemeldet wurden. "Das alles hat 30, 40 Minuten gedauert. Unsere Patrouillen sind verständigt worden. Ungefähr zehn Patrouillen der Lokalpolizei, unserer Polizeizone, sind dann hier in das Viertel gekommen. Ganz allgemein fehlen in Brüssel die Mittel", sagt der geschäftsführende Bürgermeister von Molenbeek, Amet Gjanaj.
Dass die Polizeizonen in Brüssel laut Plänen des Innenministers Bernard Quitin in zwei Jahren zusammengelegt werden sollen, könnte es leichter machen, auf Vorfälle wie am Sonntag effektiver zu reagieren. Unterdessen verspricht Polizeisprecherin Van de Keere, von den Ereignissen lernen zu wollen. "Wir werden das aufarbeiten", sagt sie. "Das ist ein neues Szenario, das wir künftig berücksichtigen müssen."
Kay Wagner