"Das ist das Monster von Loch Ness. Jedes Mal, wenn's ein Problem gibt, dann fordern die Flamen eine Fusion der Polizeizonen". Mit seiner fast sprichwörtlichen Arroganz brachte Philippe Moureaux vor mehr als zehn Jahren die frankophone Haltung auf den Punkt: Über eine Fusion der Brüsseler Polizeizonen wird gar nicht mal diskutiert. Philippe Moureaux ist schon seit fast sieben Jahren nicht mehr unter uns. Aber in den Köpfen vieler frankophoner Hauptstadtpolitiker hat sich an dieser Position nichts geändert: Eine Zusammenlegung der sechs Brüsseler Polizeizonen: "Pas question!"
Eben deswegen haben es denn auch die meisten Innenminister des Landes vorgezogen, es gar nicht erst zu versuchen. Die VRT hat einen alten Ton der früheren Open-VLD-Innenministerin Annemie Turtelboom herausgekramt, der geradezu symptomatisch ist: "Naja, Zusammenarbeit findet auch in den Köpfen statt", sagte Turtelboom. "Und wenn man der Brüsseler Politik eine Fusion aufzwingt, dann läuft man Gefahr, dass diese Fusion in der Praxis nicht umgesetzt wird."
War das nun Realpolitik oder doch eher ein Armutszeugnis? Fakt ist, dass die Idee damit seinerzeit wieder in die Schublade gewandert ist. Die Schwedische Koalition hatte sich die Fusion der Brüsseler Polizeizonen später zwar ins Regierungsabkommen geschrieben. Doch auch der damalige Innenminister Jan Jambon hat's dann doch lieber gelassen.
Dass die Idee plötzlich in eine Stromschnelle geraten ist, das hat vor allem damit zu tun, dass einige frankophone Parteien ihre Position inzwischen geändert haben. Das gilt in erster Linie für die liberale MR, die damit also quasi den innerfrankophonen Konsens durchbrochen hat. Und dann geht das, was seit rund 20 Jahren als politisch völlig unmöglich galt, plötzlich schnell. Zumindest mag das auf den ersten Blick so aussehen.
Mehr Effizienz
Der neue föderale Innenminister Bernard Quintin jedenfalls macht aus der Zusammenlegung der Brüsseler Polizeizonen jetzt eine Priorität. Und er brachte das scheinbar immerwährende Patt in der VRT mit einem Sätzchen treffend auf den Punkt: "Vergessen Sie nicht: Die bisherige Blockade war nicht technischer, sondern eben politischer Natur".
Sprich: Praktisch gesehen spricht nichts gegen eine Fusion der Polizeizonen. "Ganz im Gegenteil", sagt Quintin. Eine solche Verschmelzung würde Vieles vereinfachen. Erstmal gibt es dann ein einheitliches Kommando. Aber nicht nur das: Alle Strukturen würden zusammengelegt, also z.B. auch die verschiedenen Datenbanken. Damit würde der Informationsfluss natürlich entscheidend verbessert. Auch in Bezug auf die eigentliche Polizeiarbeit hätte das nur Vorteile: So können Einheiten viel effizienter da eingesetzt werden, wo sie gerade benötigt werden. "Und das ist umso wichtiger im Kampf gegen die Drogenmafia oder das Organisierte Verbrechen", sagte Quintin in der RTBF.
Fusionen nicht nur in Brüssel
Die Kritiker fürchten ihrerseits, dass all das auf Kosten der lokalen Verankerung geht, also dass sich die Polizei in der Praxis vom Bürger entfernt. Genau das wird aber nicht passieren, beteuert der Innenminister. Im Gegenteil. Auch dieser Aspekt soll ausgebaut werden. Auch eine einheitliche Polizeizone werde ja weiter auf lokale Polizeiwachen in den einzelnen Vierteln setzen. Alles andere wäre doch kontraproduktiv und würde neue Probleme schaffen.
Quintin ist sich der Widerstände dennoch bewusst. Und deswegen will er denn auch mit einem Lockmittel arbeiten - Zuckerbrot und Peitsche, sozusagen. Der Innenminister verspricht nämlich, dass der Föderalstaat zumindest einen Teil der Schulden der Polizeizonen übernimmt. Außerdem soll der Finanzierungsschlüssel überarbeitet werden. Das gelte im Übrigen für alle Polizeizonen. Und auch die Reform werde - in einer zweiten Phase - auf das ganze Land ausgedehnt, wo überall Fusionen angestrebt werden sollen. Brüssel sei da nur der erste Schritt.
Roger Pint