"Die transatlantischen Beziehungen gehören zu den wirtschaftlich intensivsten der Welt". Olivier Joris vom belgischen Unternehmerverband FEB spricht noch nicht in der Vergangenheitsform. Noch nicht, aber das könnte sich in absehbarer Zeit ändern, denn Donald Trump hat mit seiner Zollkeule eben diese historischen Handelsströme schon mächtig beschädigt.
In der vergangenen Woche hatte Trump an dem von ihm ausgerufenen "Befreiungstag" eine neue Salve an Zöllen angekündigt. Für die EU gilt ein Satz von 20 Prozent. "Das sind aber zusätzliche Abgaben", betonte in der RTBF Olivier Joris von der FEB. Diese 20 Prozent addieren sich zu den bereits existierenden Zöllen. Meist lagen die bislang um die vier bis fünf Prozent, ab jetzt dann also 25 Prozent. Es gab aber auch schon Produkte, auf die 15 Prozent erhoben wurden. Und daraus werden jetzt 35 Prozent.
Auswirkungen können noch nicht beziffert werden
Bei einem Aufschlag von bald insgesamt 35 Prozent ist man dann jenseits aller Wettbewerbsfähigkeit. In der Praxis bricht für das betroffene Unternehmen damit wohl das USA-Geschäft weg.
Aber man hört es schon: Eben weil sich die neuen Zölle von 20 Prozent "hinzuaddieren", und weil zudem einige Produktgruppen - vorläufig noch - ausgenommen sind, kann man die konkreten Auswirkungen etwa auf die Preise einzelner Waren schwerlich beziffern. "Es gibt nur globale Schätzungen", sagt Olivier Joris von der FEB: So geht die EU-Kommission davon aus, dass Exporte mit einem Gesamtwert von jährlich rund 380 Milliarden Euro von der Maßnahme betroffen sind. Die von den USA erhobenen Zölle steigen damit von sieben auf jetzt 80 Milliarden.
Auch für Belgien ist es schwierig, die konkreten Auswirkungen genau zu beziffern. "Im vergangenen Jahr haben belgische Unternehmen Waren im Gegenwert von rund 40 Milliarden Euro in die USA exportiert. Abgesehen von einigen Ausnahmen werden all diese Ausfuhren also jetzt mit zusätzlichen 20 Prozent belegt."
Bald auch Pharmaprodukte betroffen
Zu besagten Ausnahmen zählen bislang noch Pharmaprodukte. Aber nicht mehr lange, denn in der Nacht hat Donald Trump nun auch Zölle für diese Waren in Aussicht gestellt. Er hoffe, dass das zur Folge haben werde, dass sich die Unternehmen dann in den USA ansiedeln, sagte Trump.
Für Belgien wäre das in jedem Fall eine mittlere Katastrophe. Denn Pharmaprodukte gehören traditionell zu den Exportschlagern der hiesigen Unternehmen. "Und wir sprechen hier bislang nur von den zu erwartenden direkten Konsequenzen", betont Olivier Joris von der FEB. Hinzu kommt: Gerade belgische Betriebe sind oft auch Zulieferer für Firmen in Deutschland, Frankreich oder den Niederlanden. Heißt: Belgische Teile werden in Produkten verbaut, die ihrerseits auch bislang teilweise in die USA exportiert wurden und die jetzt mit neuen Zöllen belegt werden. Auch diese Unternehmen bekommen also die neue Maßnahme zu spüren.
Also: direkte Konsequenzen für die, die direkt in die USA exportieren - indirekte Auswirkungen für die, die etwa der Autoindustrie in Deutschland oder Frankreich zuliefern.
China könnte verstärkt nach Europa exportieren
"Und dann gibt es noch eine dritte Gefahr", sagt der FEB-Experte, denn auch andere Länder werden ihre Handelsströme umleiten. Man denkt da vor allem an China. Es ist also denkbar, dass die künftig ihre Waren verstärkt nach Europa exportieren werden. Und das könnte auch den EU-Binnenmarkt aus dem Lot bringen.
Trump gibt zu verstehen, dass er noch Korrekturen vornehmen könnte, je nach möglichen Angeboten, die ihm einzelne Staaten oder Wirtschaftsräume unterbreiten könnten. Andererseits ist aber auch nicht auszuschließen, dass die zu erwartende Reaktion der EU zu einer weiteren Eskalation sorgen könnte, dass das also immer noch erst der Anfang ist.
Gleich wie es kommt: Der Schaden ist schon angerichtet, das Vertrauen zerstört. Die bislang so "intensiven" transatlantischen Handelsbeziehungen, sie sind - so oder so - schon irgendwie Geschichte.
Zweite Stufe von Trumps Zollpaket in Kraft - China schlägt mit weiteren Gegenzöllen zurück
Roger Pint